Die Folgen des Trump-Telefonats
Diese Leute haben Keller-Sutters Coup eingefädelt

Bundespräsidentin Keller-Sutter ist dank ihres Telefonats mit Trump im Hoch – der Erfolg befeuert die Konkurrenz unter den Departementen. Wer hinter dem Manöver steht.
Publiziert: 13.04.2025 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2025 um 11:42 Uhr
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Namentlich erwähnt: Bundespräsidentin Keller-Sutter.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

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Zollhammer, Zollchaos, Zollkrieg. Donald Trumps sprunghafte Entscheidungen beherrschen die politische Agenda – auch in der Schweiz.

Letzte Woche kam der 31-Prozent-Schock. Der Bundesrat wurde vom MAGA-Anführer überrumpelt, den viele Schweizer doch für ihren Freund gehalten hatten. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) traten am Donnerstag vor die Medien und waren in Erklärungsnot. Wie Blick in Erfahrung bringen konnte, herrschte in jenen Stunden Feuer unterm Dach. Die FDP-Magistratin war ausser sich. Wie kann es sein, dass die hoch dotierte diplomatische Armada nicht einmal im Ansatz die Möglichkeit dieses handelspolitischen Super-GAUs auf dem Schirm hatte? Und was machte der neu eingesetzte Schweizer Botschafter Ralf Heckner (57) in Washington, dessen Botschaft die eigene Homepage noch immer mit einem Foto von Joe Biden ziert?

Öffentliche Schelte vom Ex-Kollegen

Von einem prominenten Ex-Kollegen kriegten die Diplomaten gar öffentlich aufs Dach. Er sei «schockiert, dass es dem Bundesrat und der Schweizer Botschaft in Washington seit Trumps Wahl am 6. November nicht gelungen ist, belastbare Beziehungen zum engsten Kreis um Trump aufzubauen», tadelte der ehemalige Spitzendiplomat Thomas Borer (67) am 4. April im SRF. Dies sei «ein grosser Fehler» und ein «Armutszeugnis».

Zeitgleich ging man in die Offensive. Das Aussendepartement kündigte eine alle Departemente umfassende «Steuerungsstruktur» an, die sich unter Leitung von EDA-Vorsteher Ignazio Cassis (63) um die US-Politik «insbesondere in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Finanzen» kümmern werde. Da schrillten anderswo die Alarmglocken: Denn dies beschreibt ziemlich genau das Tätigkeitsgebiet von Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (60), die Wirtschaftsminister Parmelin unterstellt ist. Und nicht nur das: Dazu soll Diplomat Gabriel Lüchinger (48) als Sondergesandter für das USA-Dossier eingesetzt werden. Wer ist jetzt Mister oder Miss USA? Budliger? Cassis? Heckner? Lüchinger?

Beim EDA will man nichts von einer Konkurrenz wissen. «Lüchinger soll die bestehenden Strukturen ergänzen», stellt ein Sprecher klar. Tatsächlich wird im Communiqué betont, dass der diplomatische Shootingstar «mit Schwerpunkt auf der internationalen Sicherheit» agieren werde.

Die Erwähnung in der «Washington Post»

Am 9. April erfolgte die Kehrtwende. Keller-Sutter gelang es, 25 Minuten lang direkt mit Trump zu telefonieren. Vor der EU-Kommissionspräsidentin und vielen anderen. Auf X verbreitete sie die Kunde: «Im heutigen Telefonat mit Präsident Trump habe ich sowohl meine Haltung zum bilateralen Handel als auch Möglichkeiten zur Umsetzung unserer Ziele dargelegt. Wir haben vereinbart, die Gespräche im Interesse beider Länder fortzusetzen. Wir freuen uns darauf, in naher Zukunft Lösungen zu erarbeiten.»

Tue Gutes und sprich darüber – die Losung hat sich für KKS ausbezahlt. In einer Story der «Washington Post» wird sie als einzige Staatsvertreterin namentlich erwähnt. Die Bundespräsidentin hat einen Volltreffer gelandet. Dieser Ruhm ist auch politisches Kapital.

Wie aber kam das Trump-Telefonat zustande? Nach Informationen von Blick brachte eine konzertierte Aktion von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, Staatssekretärin Helene Budliger Artieda und dem früheren US-Botschafter in Bern, Edward McMullen (60), den Durchbruch. Parmelin telefonierte am Montag mit dem Handelsbeauftragten, Budliger Artieda und McMullen weibelten in den USA. Mitgewirkt hat auch Botschafter Ralf Heckner, wie es aus EDA-Kreisen heisst. Womit sich dieser nach dem Zollschock rehabilitiert hat.

Gabriel Lüchinger, der verlässliche Streber

Nach seiner Rolle als Vermittler gefragt, sagt McMullen zu Blick: «Ich spreche nicht über meine Gespräche mit dem Präsidenten der USA, weil ich sonst keine Gespräche mehr mit ihm führen kann.» Um vielsagend nachzuschieben: Er leiste «gerne einen Beitrag dafür, dass die bilateralen Beziehungen weiter wachsen und stärker werden».

Am zarten Frühling seit Trumps Zollkrieg beteiligt sich seit Mittwoch auch der Sondergesandte Lüchinger. Wer ist Gabriel Lüchinger? Der SVP-Mann gilt – das ist anerkennend gemeint – als Streber. Schon in seiner Maturazeitschrift steht: «Im Vergleich zu seinen Mitschülern war er immer vernünftig, kurz gesagt, sehr erwachsen.» Und weiter: «Wie im übrigen Leben verfolgt Gabriel auch in der Politik eine sehr klare Linie, was viele interessante Diskussionen mit seinen linksorientierten Kamerädli zur Folge hatte.»

Lüchinger stammt aus Herzogenbuchsee BE und ist dort in der Lokalpolitik aktiv. Er hat Rechtswissenschaften in Bern und Helsinki studiert sowie internationale Beziehungen in Schweden. Seine Karriere begann im VBS, von 2010 bis 2016 war er als Verteidigungsattaché auf den Schweizer Botschaften in Kairo und Abu Dhabi tätig – als wohl jüngster Verteidigungsattaché der Schweiz. Im März 2016 wurde er zum SVP-Generalsekretär gewählt – unter Parteichef Albert Rösti (57). Zwei Jahre später wurde er persönlicher Mitarbeiter von Bundesrat Guy Parmelin und wechselte später ins Aussendepartement.

Wann folgt Cassis' Telefonat mit Rubio?

Im Kampf um die Nachfolge von Bundeskanzler Walter Thurnherr (61) verlor Lüchinger gegen den Grünliberalen Viktor Rossi (56). Geschadet hat ihm die Niederlage nicht, Lüchinger gilt für viele Ämter als Anwärter – angefangen vom Geheimdienstchef NDB bis zum Bundesratsamt. Lüchinger steht für einen gemässigten SVP-Kurs – klar Kandersteg BE und nicht Herrliberg ZH. Als «Mr. Bürgenstock» hat Lüchinger letztes Jahr die Ukraine-Konferenz mitverantwortet, die Teilen der SVP so gar nicht passen wollte, weil Russland und weitere Länder nicht eingeladen waren.

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Wie es sich unter Diplomaten gehört, hat Lüchinger auch Neider. Er ist kein gelernter Diplomat, sondern machte als Quereinsteiger im EDA schneller Karriere, als manchen lieb ist. Militärattachés werden von Diplomaten selten sonderlich ernst genommen – plötzlich gestaltet ein ehemaliger Militärattaché die Schweizer Aussenpolitik massgeblich mit. Und Aussenminister Cassis setzt ohnehin gerne auf Quereinsteiger. Vielleicht verhilft Lüchinger seinem Chef zu einem Telefonat mit Aussenminister Marco Rubio (53) – der EDA-Vorsteher hat nach wie vor nicht mit seinem US-Kollegen telefoniert.

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