Wären da nicht die Überwachungskameras, der doppelte Zaun und ein Wachmann, der mit seinem Dobermann das Gelände abschreitet – man würde das kleine Getreidefeld am Stadtrand von Zürich kaum eines Blickes würdigen. Doch was hier, auf dem Gelände der Bundes-Forschungsanstalt Agroscope, gut bewacht wächst, ist eine Premiere in der Schweiz. Und sehr umstritten.
Die Gerste, inzwischen kniehoch, ist gentechnisch verändert. Mittels der Genschere CRISPR/Cas9 haben Forschende ein Gen ausgeschaltet, was dazu führen soll, dass die Ähren mehr Gerstenkörner bilden. Es ist der erste Feldversuch hierzulande mit einer Pflanze, bei der diese neue Form der Gentechnik zum Einsatz kam.
Gentech ist verboten – doch wie lange noch?
Von blossem Auge lässt sich kein Unterschied zwischen den gentechnisch veränderten und den herkömmlichen Pflanzen erkennen. Die Forscher aber erhoffen sich eine Ertragssteigerung um fünf bis zehn Prozent. «Das wäre für diese Pflanzen ein sehr gutes Ergebnis», sagt Thomas Schmülling (65), Genetik-Professor an der Freien Universität Berlin, an der die Gentech-Gerste gemeinsam mit andern Forschern entwickelt worden ist. Gemeinsam mit einem Forschungskollegen ist er nach Zürich gereist, um zu schauen, wie das Getreide gedeiht.
Abgesehen von Forschungszwecken ist der Anbau solcher Pflanzen in der Schweiz verboten. Noch jedenfalls. Viermal hat das Parlament das Gentech-Moratorium, das seit 2005 gilt, verlängert. Zuletzt bis Ende nächsten Jahres.
Doch wie geht es dann weiter? In der EU laufen Bestrebungen, das Verbot zu lockern. Pflanzen, deren Erbgut mit der Genschere verändert worden ist, sollen neu erlaubt sein. Unter welchen Bedingungen, darüber wird gerade gestritten.
Eine Tomate gegen zu hohen Blutdruck oder Salat, der weniger schnell braun wird. Weltweit sind erst eine Handvoll Lebensmittel erhältlich, die mittels CRISPR/Cas9 verändert worden sind. Rund 15 dürften nächstens auf den Markt kommen.
Mittels der Technologie, auch Genschere genannt, kann das Erbgut an einer bestimmten Stelle durchgeschnitten und Gen-Abschnitte ausgeschaltet, verändert oder neue hinzugefügt werden. Im Vergleich zur klassischen Gentechnik ist sie viel präziser, einfacher und es wird kein artfremdes Erbgut eingefügt. Das Prinzip stammt aus der Natur.
Nicht nur in der Pflanzenzüchtung kommt die neue Gentechnik zum Einsatz. Das grösste Potenzial hat sie in der Medizin. Die beiden Forscherinnen, die die Technologie entwickelt haben, haben dafür 2020 den Chemie-Nobelpreis erhalten.
Eine Tomate gegen zu hohen Blutdruck oder Salat, der weniger schnell braun wird. Weltweit sind erst eine Handvoll Lebensmittel erhältlich, die mittels CRISPR/Cas9 verändert worden sind. Rund 15 dürften nächstens auf den Markt kommen.
Mittels der Technologie, auch Genschere genannt, kann das Erbgut an einer bestimmten Stelle durchgeschnitten und Gen-Abschnitte ausgeschaltet, verändert oder neue hinzugefügt werden. Im Vergleich zur klassischen Gentechnik ist sie viel präziser, einfacher und es wird kein artfremdes Erbgut eingefügt. Das Prinzip stammt aus der Natur.
Nicht nur in der Pflanzenzüchtung kommt die neue Gentechnik zum Einsatz. Das grösste Potenzial hat sie in der Medizin. Die beiden Forscherinnen, die die Technologie entwickelt haben, haben dafür 2020 den Chemie-Nobelpreis erhalten.
Auch der Bundesrat will Gentech neu teilweise zulassen. Nach den Sommerferien wird Umweltminister Albert Rösti (56) einen Vorschlag für ein neues Gentechnik-Gesetz präsentieren. Gemäss Ankündigung der Regierung dürfte es etwas weniger weit gehen, als dies in der EU momentan zur Debatte steht. Umweltschützer sind dennoch alarmiert.
Gentech-Kritiker stehen in den Startlöchern
Gentech-Gegner haben vergangene Woche eine Petition mit 25'000 Unterschriften eingereicht, die eine Verlängerung des Moratoriums fordert. Und die Gegner setzen weiter Druck auf. Der Text für eine Volksinitiative, die im September lanciert wird, steht bereits. Sie wollen die Wahlfreiheit für Konsumentinnen und Konsumenten in der Verfassung festschreiben. Gentech-Lebensmittel sollen speziell gekennzeichnet werden müssen.
«Mit der Initiative wollen wir rote Linien definieren», sagt Martin Bossard, Leiter Politik beim Verband Bio Suisse und Co-Präsident des Initiativkomitees. «Wer unbedingt will, soll Gentechnik einsetzen können. Aber das darf nicht diejenigen behindern, die darauf verzichten wollen.»
Bossard hält die Diskussionen um die neuen gentechnischen Methoden für einen «Hype». Insbesondere zweifelt er daran, dass mit der Genschere besser und schneller neue Sorten entwickelt werden können, die robuster und ertragsreicher sind. Den Gersten-Versuch in Zürich findet er sinnlos. «Da wird an etwas geforscht, dessen Nutzen minimal ist für die Schweiz», so Bossards Kritik. Tatsächlich wird die Gerstensorte, an der getestet wird, in der Schweiz nicht angebaut.
Forscher sehen «enormes Potenzial»
Doch für die deutschen und Schweizer Forscher ist der Versuch auch erst der Anfang. Ihr Ziel ist es, bei einem positiven Ausgang in einem nächsten Schritt denselben Effekt bei Weizen zu erzielen. Über die Hälfte der Getreidefläche in der Schweiz sind Weizenfelder. «CRISPR/Cas9 hat enormes Potenzial», ist Roland Peter (47), Leiter des Forschungsbereichs Pflanzenzüchtung bei Agroscope, überzeugt.
Er kann die Skepsis in Teilen der Bevölkerung gegenüber dieser neuen Züchtungstechnik nicht nachvollziehen. Die Risiken seien nicht grösser als bei der heutigen, klassischen Züchtung – soweit der wissenschaftliche Konsens. Auch in der Natur komme es ständig zu vergleichbaren Mutationen. Warum soll der Mensch nicht nachhelfen dürfen? Die klassische Züchtung tue nichts anderes.
Einer Kennzeichnungspflicht stehen die Wissenschaftler skeptisch gegenüber. «Das lässt sich auf Dauer wahrscheinlich kaum durchsetzen», glaubt Schmülling. Denn die Veränderungen, die im Genom eingefügt werden, liessen sich von natürlichen Mutationen nicht unterscheiden.
In rund einem Monat, wenn die Gerste ihre volle Grösse erreicht hat, will der Forscher aus Deutschland dem Feld einen erneuten Besuch abstatten. Dann werden Messungen zeigen, ob die Körner in den Ähren tatsächlich zahlreicher und grösser sind. Doch unabhängig davon, wie der Versuch verlaufen wird: Schmülling, Peter und ihre Kollegen wollen weiter an neuen, robusteren und ertragreicheren Sorten tüfteln. Sie sind von den Chancen der neuen Gentechnik überzeugt – und hoffen, dass es Politik und Bevölkerung bald auch sind.