Um ein Haar hätte es gereicht: Die geballte Kraft der Kirchen, konfessionsübergreifend vereint und im Gleichschritt mit den verbündeten christlichen NGOs, trieb die Kampagne für die Konzernverantwortungs-Initiative voran und scheiterte vergangenes Wochenende nur am Ständemehr.
Gotteshäuser waren mit den orangenen «Kovi»-Fahnen geschmückt, auf den Internetseiten der kirchlichen Dachorganisationen wimmelte es von Werbematerial für das Volksbegehren.
Wer so tüchtig für Menschenrechte in der Dritten Welt kämpft, so müsste man denken, hat auch etwas zu sagen, wenn sich an der Heimatfront in Sachen Menschenrechten etwas tut.
Am Dienstag, dem 1. Dezember, geschah im Bundeshaus tatsächlich Historisches. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat die Ehe für alle gutgeheissen. Zwar werden die Details im Parlament noch ausgehandelt, aber für die Schwulen und Lesben in der Schweiz ist damit ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur vollständigen gesellschaftlichen Gleichstellung erreicht. Der Beschluss ist zugleich ein wichtiges Signal an die vielen Länder, in denen Homosexuelle noch immer diskriminiert und schikaniert werden.
Von ebendiesen Kirchenorganisationen, die mit so viel Verve für Gerechtigkeit in den Bananenplantagen und Kupferminen der globalen Peripherie gekämpft haben, ist nun aber wenig bis nichts zu vernehmen.
Katholiken drucksen herum
Die Schweizerische Bischofskonferenz lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe bekanntlich ab; statt direkt auf den Punkt zu kommen und durch eine klare Positionierung in die Debatte einzutreten, hat die katholische Dachorganisation gestern eine Erklärung veröffentlicht. In der ist von «heiklen und komplexen Fragen» die Rede, von der «öffentlichen Würdigung gegenseitiger Gefühle», von den Rechten der Kinder und von der Ablehnung der heute praktizierten Fortpflanzungsmedizin. Der Leser muss sich durch Wortwolken kämpfen. Nach einigem Mäandrieren kommen die Bischöfe zum Schluss, «dass sich die SBK nicht für den Entwurf Ehe für alle aussprechen kann».
Die Angst der Absender vor dem vorherrschenden Zeitgeist ist nicht zu übersehen. Nur logisch, dass man die eben gewonnenen Sympathien nicht aufs Spiel setzen will. Dazu dürften die Diözesanleiter wohl gerade mit dem Debakel bei der Churer Bischofswahl beschäftigt sein.
Evangelischer Kirchenbund befürwortet gleichgeschlechtliche Ehe auf zivilrechtlicher Ebene
Auch bei den evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz entsteht der Eindruck, dass man nach dem Abstimmungskampf für die Konzern-Initiative zuerst wieder die Batterien laden muss. Man sei derzeit vor allem mit dem Corona-Konzept für die weihnachtlichen Gottesdienste beschäftigt, heisst es auf Anfrage. Zudem steht der Menschenrechtstag am 10. Dezember bevor (Motto: «Menschenrechte und Umwelt»).
Eine Sprecherin verweist dann auf eine Medienmitteilung vom letzten Jahr, in der der Schweizerische Evangelischen Kirchenbund die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf zivilrechtlicher Ebene befürwortet. Aktuell gebe es aber nicht mehr zu sagen.
Eine versöhnliche Pointe hat dieser kirchliche Selbstrückzug ins Private: Da beide Konfessionen gleichsam auf Tauchgang gehen, sind Gegner der Homoehe und die Gay-Bewegung miteinander im Schicksal vereint, nicht auf göttliche Unterstützung zählen zu können.