SP-Nationalrätin Farah Rumy (32) flog letztes Wochenende mit vier weiteren Schweizer Wahlbeobachterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) nach Aserbaidschan, um die Präsidentschaftswahlen vor Ort zu verfolgen.
Bereits bei ihrer Einreise erlebte sie, wie der Staat dort mit unliebsamen Kritikern umgeht: Dem mit ihr angereisten EVP-Nationalrat Nik Gugger (53) wurde am Flughafen Baku die Einreise ins Land verweigert. «Erst hiess es, es handle sich um ein technisches Problem. Weil bei uns allen aber der Einlass reibungslos klappte, wurde uns rasch klar, dass da etwas nicht stimmen kann», erzählt Rumy gegenüber Blick, nachdem sie am Samstag wieder in der Schweiz gelandet ist.
«Ein Hohn»
Dass Gugger die Einreise schliesslich untersagt wurde, haben sie «als Hohn empfunden». Ihr sei auch nicht erlaubt worden, sich zu ihm zu gesellen am Flughafen. Ganze drei Stunden wurde Gugger am Flughafen festgehalten. Ein Übersetzer habe der SP-Frau dann mitgeteilt, dass die Reise für Gugger vorbei sei und er zurückfliegen müsse. Gründe wurden ihnen nicht genannt. Übernächtigt sei sie ins Hotel gefahren, so Rumy.
Offenbar wurde Gugger seine Mitgliedschaft im Europarat zum Verhängnis. Aserbaidschan hatte ihn auf eine schwarze Liste gesetzt. Die Sache hatte zu diplomatischen Verstimmungen zwischen der Schweiz und Aserbaidschan geführt. Das Aussendepartement hat in Bern daraufhin den aserbaidschanischen Botschafter einberufen.
Unbeaufsichtigte Stimmzettel
Als Wahlbeobachterin habe sie in Baku in ihrer Funktion viele Unregelmässigkeiten beobachtet, erzählt Rumy gegenüber Blick. So seien die Wahlurnen nicht richtig verschlossen gewesen, und sie habe dieselbe Unterschrift mehrmals auf den Unterschriftprotokollen entdeckt. «Es muss Leute gegeben haben, die mehrmals gewählt haben», schliesst sie daraus.
Weiter habe sie auch beobachtet, dass Personen im Wahllokal mehr als einen Stimmausweis eingeworfen hätten. Da sei ihr von aserbaidschanischer Seite versichert worden, dass diese Person auch für seine Familienmitglieder noch mitwähle. Ebenfalls als problematisch habe sie taxiert, dass die Stimmzettel während der Essenspause unbeaufsichtigt gelassen worden seien.
Alijew feiert sich als Sieger
Bei einem Spaziergang in Baku habe sie dann das seltsame Gefühl beschlichen, Leute mehrmals zu kreuzen, erzählt die SP-Frau, die seit letztem Winter im Parlament in Bern politisiert. «Wir wurden dann von OSZE-Mitarbeitern darüber informiert, dass wir damit rechnen müssen, beobachtet zu werden bei unserer Arbeit vor Ort.»
Rumys Erzählungen vor Ort decken sich mit den offiziellen Wahlresultaten: Mit 92 Prozent der Stimmen hat sich in der autoritär geführten Südkaukasusrepublik Aserbaidschan der seit gut 20 Jahren regierende Präsident Ilham Alijew (62) diese Woche erneut zum Sieger erklären lassen.
Mehr zu Nik Guggers Rausschmiss
Alijew, der weitere sieben Jahre im Amt bleiben kann, baute sein Ergebnis von 2018 von damals 86 Prozent noch einmal aus – vor dem Hintergrund der Rückeroberung der Konfliktregion Berg-Karabach nach einem Krieg mit Armenien. Das öl- und gasreiche Land am Kaspischen Meer ist wichtiger Energielieferant für die EU.
Keine echte Auswahl
Die Wahlbeteiligung wurde mit rund 77 Prozent der insgesamt mehr als sechs Millionen Wahlberechtigten angegeben. Beobachter bemängeln schon vor der Wahl, dass die Aserbaidschaner angesichts von Repressionen im Grunde gar keine richtige Auswahl hatten: So war unter Alijew sechs Gegenkandidaten kein echter Konkurrent, die Opposition boykottierte die Wahl aus Protest.
Für Empörung sorgte zudem, dass im Vorfeld der Abstimmung mehr als ein Dutzend kritischer Journalisten festgenommen worden waren, die über Korruption in Alijew Machtapparat berichteten. Die staatliche Nachrichtenagentur Azertac feierte den Wahlsieg Alijews trotzdem als angeblichen Beweis für «den unerschütterlichen Glauben des Volkes an seinen Führer».
Rumy sagt, sie verspüre nun nicht das Bedürfnis, bald wieder in den Kaukasusstaat zu reisen. Es war ihre erste Mission als OSZE-Wahlbeobachterin.