Flughafen Zürich, Samstagnachmittag: EVP-Nationalrat Nik Gugger (53) kehrt von einer Reise zurück, die international für Schlagzeilen sorgen wird. Zwölf Stunden zuvor kam es in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zum Eklat – das Regime hat den Schweizer Politiker aus dem Land geworfen.
Gugger ist aufgewühlt. Hinter den Kulissen glühen die diplomatischen Drähte. Noch am frühen Samstagmorgen wurde Aussenminister Ignazio Cassis (62) über den Vorfall informiert.
«Was da ablief, ist ein Skandal», sagt der EVP-Politiker beim Kaffee mit Blick am Flughafen Zürich. Er hat seit über 30 Stunden nicht geschlafen.
Gugger sollte Menschenrechtsverstösse melden
Tatsächlich ist der Vorfall brisant. Gugger reiste als offizieller und akkreditierter Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Aserbaidschan. Sein Auftrag vor Ort: die anstehenden Präsidentschaftswahlen beobachten und Verstösse gegen die Menschenrechte melden. Gugger hat Erfahrung darin, er war bereits auf ähnlichen Missionen in Russland und Moldawien.
Doch was in der Nacht auf Samstag geschah, hat er noch nie erlebt. Kaum in Baku gelandet, wurde er am Diplomateneingang von uniformierten Polizisten gestoppt. Sie beschlagnahmten seinen Pass und verweigerten ihm die Einreise. Andere OSZE-Beobachter wurden problemlos durchgelassen – auch die Schweizer Delegation.
«Dass das aserbaidschanische Regime eine Beobachtermission dermassen desavouiert, ist eine neue Stufe der Eskalation», sagt Gugger. «Die Situation war beelendend.» Aserbaidschan müsse sich umgehend bei der OSZE erklären.
Die Polizisten hielten den Nationalrat knapp drei Stunden am Flughafen Baku fest, spendierten ihm einen Tee und setzten ihn dann in einen Flieger nach Istanbul. Erst in der Türkei erhielt er seinen Pass zurück. Am Samstag um 14 Uhr landete er in Zürich.
Das Aussendepartement (EDA) bestätigt den Vorfall gegenüber Blick: «Wir haben Kenntnis davon.» Die Schweizer Botschaft in Baku habe sich bemüht, Nationalrat Nik Gugger zu unterstützen. «Das EDA wird über die üblichen diplomatischen Kanäle bei den aserbaidschanischen Behörden intervenieren.»
Dass ein angemeldeter OSZE-Beobachter nicht in ein Land gelassen wird, ist ein diplomatischer Affront und kommt äusserst selten vor.
Wahlsieger steht schon fest
Die Wahlen in Aserbaidschan finden kommenden Mittwoch statt. Doch der Sieger steht schon fest: Diktator Ilham Alijew (62) wird weiterregieren. Faire Wahlen gibt es in Aserbaidschan nicht. Im Demokratie-Index der britischen Zeitschrift «Economist» steht das Land auf Platz 134 von 167.
Warum genau Gugger nicht ins Land gelassen wurde, ist bis jetzt nicht klar. Es könnte aber mit seiner Tätigkeit im Europarat zusammenhängen. Just letzte Woche hat das Regime in Baku angekündigt, dass es keine Wahlbeobachter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Pace) akzeptieren würde. Da Gugger neben seinem Engagement bei der OSZE auch Wahlbeobachter des Europarates ist, könnte er auf einer schwarzen Liste gelandet sein. Die aserbaidschanische Botschaft in Bern war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Auch Bergkarabach-Konflikt könnte eine Rolle spielen
Ein Dorn im Auge könnte der Diktatur am Kaukasus auch Guggers politisches Engagement im Bergkarabach-Konflikt sein. Im vergangenen September eroberte die aserbaidschanische Armee die nicht anerkannte Kleinstrepublik und vertrieb mehr als 100'000 christliche Armenier. Nationalrat Gugger protestierte öffentlich gegen die Gewalt und liess seine Kritik auch dem aserbaidschanischen Botschafter zukommen.
«Ich setze mich seit Jahren für Frieden ein und versuche Brücken zu bauen», sagt der EVP-Politiker. Dass das Regime in Baku ihn jetzt aus dem Land verbanne, sei frustrierend und zeige, dass Aserbaidschan noch weit weg von einem Rechtsstaat ist.