Das sagt die Politik zum Raketen-Knatsch
«Wenn es Probleme gibt, schaut jedes Land für sich»

Die Schweiz muss länger auf die bestellten amerikanischen Patriot-Systeme warten. Der Entscheid sorgt für Aufsehen, doch Sicherheitspolitiker zeigen auch Verständnis – und sprechen von Solidarität mit der Ukraine.
Publiziert: 18.06.2024 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2024 um 14:03 Uhr
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Die USA wollen Patriot-Raketen zuerst nun in die Ukraine liefern.
Foto: Lockheed Martin Corporation

Die Ukraine schnappt der Schweiz Patriot-Raketen für 300 Millionen Franken vor der Nase weg. Trotz bestehender Verträge wollen die Amerikaner zuerst Kiew mit den gefragten Lenkwaffen beliefern, wie Blick aufgedeckt hat. Die Schweiz muss vorerst hinten anstehen. Betroffen von den Verzögerungen sind aber auch die USA selber, Bulgarien oder Spanien.

Wie lange die Schweiz auf die Raketen warten muss, ist vorerst unklar. Die Verteidigungsfähigkeit bleibt damit geschwächt. Betroffen sind allerdings nicht die bestellten Abschusssysteme und auch nicht die älteren PAC-2-Raketen, sondern nur die nachbestellten PAC-3.

Im Parlament sorgt der Entscheid für Aufsehen. «Es ist wie während der Corona-Pandemie – wenn es Probleme gibt, schaut jedes Land für sich», sagt SVP-Nationalrat Thomas Hurter (60). Die Prioritäten der USA hätten sich geändert, das habe nun Auswirkungen auf die Schweiz, analysiert er. «Der Entscheid der USA zeigt, wie schnell die Verlässlichkeit ändern kann.»

Aus diesem Fall müsse die Schweiz Lehren ziehen, fordert Hurter: «Wir dürfen kein Waffensystem ausser Betrieb nehmen, bevor das neu Bestellte da ist», meint er mit Blick auf die geplante Ausserdienststellung des Tiger F-5. Da müsse man abwarten, bis der F-35 geliefert werde. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage sei eine solche Lücke mehr als gefährlich.

SP-Roth unterstützt den Entscheid

Rückendeckung erhält die ukrainische Vorzugsbehandlung von SP-Ständerätin Franziska Roth (58). «Ich finde es gut, wenn wir anderen den Vortritt für ‹unsere› Patriot-Systeme überlassen», sagt die Solothurnerin. Die Ukraine brauche die europäische Solidarität. «Weil wir nicht direkt liefern können und wollen, ist es das Mindeste, dass wir nicht durch unsere Beschaffungspolitik anderen Steine in den Weg legen, um die Ukraine zu unterstützen», macht Roth klar.

Für sie kommt hinzu, dass die Schweiz mit den Patriot-Raketen «von extrem unwahrscheinlichen Szenarien ausgeht, dass die Russen bereits nach Innsbruck, München oder Mailand vorgerückt sind». Erst dann nämlich könnten die Patriots mit ihrer verhältnismässig bescheidenen Reichweite von 200 bis 300 Kilometern zum Zuge kommen. «Und auch nur dann, wenn uns die Nachbarstaaten die erforderlichen Zieldaten geben würden.»

Ähnlich tönt es bei Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61): «In der Ukraine sind gegenwärtig ausreichende Verteidigungskapazitäten stärker gefragt als in der Schweiz. Glücklicherweise für die Schweiz», teilt er gegenüber Blick mit.

Allzu sehr überrascht Pfister die News offenbar nicht. Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und der Chef der Armee hätten in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewiesen, dass wegen des Kriegs in der Ukraine mehr Waffen bestellt werden von vielen Staaten und drum die Produktions- und Lieferkapazitäten nicht mehr ausreichen, so Pfister.

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