Das neue Waffenrecht hat eine Lücke
Aus Schützen werden einfach Sammler

Das neue Waffenrecht und die dazugehörende Verordnung behandeln Waffensammler bevorzugt. Und weil sie auch nirgends definieren, mit wie vielen Waffen man ein Waffensammler ist, könnten künftig viele Schützen ihre neuen Nachweispflichten umgehen und zu Sammlern werden.
Publiziert: 25.03.2019 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2019 um 10:23 Uhr
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Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) zeigt mit dieser Visualisierung, was beim Waffenerwerb künftig zusätzlich angegeben werden muss.
Foto: zvg/Fedpol
Andrea Willimann
Andrea WillimannBundeshaus-Redaktorin

Schützen und Waffensammler wären betroffen vom verschärften Waffengesetz, das am 19. Mai an die Urne kommt. Denn künftig brauchen beide eine Ausnahmebewilligung für ihre neu verbotenen halbautomatischen Gewehre und Pistolen. Schützen müssten dafür, wenn sie nicht Mitglied in einem Schützenverein sind, nach fünf und nach zehn Jahren nachweisen, dass sie mit ihrer Waffe regelmässig üben. Sammler müssten jederzeit ein aktuelles Verzeichnis und eine sichere Aufbewahrung der Waffen vorzeigen können.

Für Sammler wären die Hürden somit tiefer: Keine Verpflichtung für einen Sammler-Verband, keinen Nachweis über ihre Waffenkunde, obschon sie nicht nur weiterhin verbotene halbautomatische Waffen, sondern auch solche mit grossen Magazinen besitzen dürften.

Nirgends ist bisher definiert, wer ein Sammler ist

Dies irritiert umso mehr, weil weder das neue Gesetz noch die Verordnung dazu festhalten, was der Unterschied zwischen einem Waffensammler und einem Schützen mit mehreren Waffen ist. Wer künftig eine Waffe erwerben will und eine Ausnahmebewilligung beantragt, kann auf einem Formular selber deklarieren, ob er Sammler ist oder sportlich schiesst. Ein entsprechendes Kreuzchen – und fertig ist die Definition.

Vor den Medien hat die Bundespolizei Fedpol kürzlich an einem Probeformular aufgezeigt, mit welch geringem Aufwand die wenigen Informationen künftig gesammelt werden sollen.

Kantone schlagen Alarm

Dass in Zukunft aus vielen Schützen ganz einfach Sammler werden könnten, ist auch den Kantonen aufgefallen. In der Vernehmlassung zur neuen Waffenverordnung kritisierten mehrere, die fehlende Sammlerdefinition.

«Es besteht die Gefahr, dass der Begriff ‹Sammler› vermehrt als Erwerbsgrund angegeben wird, um den für Sportschützen erforderlichen Nachweis regelmässigen sportlichen Schiessens oder einer aktiven Mitgliedschaft in einem Schiessverein umgehen zu können», warnt etwa der Luzerner Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP, 62).

Andere wie der Freiburger Staatsrat fürchten bereits den Kontrollaufwand über die Waffenschränke. Die Baselländer Regierung wiederum wünscht sich, dass eine Ausnahmebewilligung zwingend nur diejenigen erhalten, die bei einem Waffenerwerb jedes Mal alle in ihrem Besitz befindlichen Waffen deklarieren.

Sicherheitspolitiker ärgern sich über Schlupfloch

Die Kritik an diesem Schlupfloch weckt die Sicherheitspolitiker im Bundeshaus. «Ein Witz ist das», findet SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf (ZH, 50). Dies sei nun die Quittung, dass die Bürgerlichen eine möglichst lasche Umsetzung der EU-Waffen-Richtlinie wollten, ärgert sich die Nationalrätin.

«Diese Lücke zeigt wie unüberdacht und nutzlos das ganze Gesetz ist», schimpft auf der Gegenseite Werner Salzmann (BE, 56), Präsident der nationalrätlichen Sicherheitskommission (SIK) und politischer Kopf des Referendums gegen das neue Waffenrecht.

Dass das neue Gesetz wohl keinen einzigen Terrorakt verhindert, sieht auch Josef Dittli (FDP, 61), Befürworter des neuen Rechts und Präsident der ständerätlichen SIK. Jeder Schütze komme zur Waffe – auch mit dem neuen Gesetz. Doch der Urner warnt: «Es geht nicht ohne! Die Schweiz muss die ausgehandelten Pflichtänderungen des Schengen-Dublin-Vertrags übernehmen, damit sie die absolut zentrale Zusammenarbeit mit der EU im Polizei- und Asylbereich nicht gefährdet.»

Schützen können auf Kantönligeist hoffen

Laut Dittli könnte die fehlende Sammlerdefinition später nachgebessert werden. «Der Bundesrat wird die definitive Verordnung zum neuen Gesetz nach der Abstimmung zum neuen Waffenrecht am 19. Mai verabschieden», sagt Fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu dazu.

Möglich ist allerdings auch, dass der Bundesrat die Anforderungen an die Sammler und die Kontrollen den Kantonen überlässt. Für die Schützen wäre das die zweitbeste Option nach einem Nein zum neuen Waffenrecht: Denn sagt das Volk Ja zum neuen Waffenrecht, gäbe es in liberalen Kantonen künftig halt einfach mehr Sammler von halbautomatischen Waffen.

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Eidgenössische Abstimmungen am 19. Mai 2019

Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.

  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.

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