50,7 Prozent Ja zur Konzern-Initiative und dennoch Nein – wie kann das sein? Grund für dieses auf den ersten Blick seltsame Abstimmungsergebnis ist das Ständemehr. Damit eine Volksinitiative als angenommen gilt, muss nicht nur die Mehrheit der Stimmbevölkerung der gesamten Schweiz Ja sagen, sondern auch die Bevölkerung in der Mehrheit der Kantone.
Und das hat sie am Sonntag nicht getan. In 14,5 Kantonen – die Halbkantone haben nur eine halbe Standesstimme – hat die Bevölkerung Nein zur Initiative gesagt.
Schutz der katholischen Landbevölkerung
Dieses Ständemehr hat eine lange Tradition. Es wurde schon 1848 in der ersten Bundesverfassung verankert. Zweck war damals der Minderheitenschutz für die katholische Landbevölkerung. Man wollte dabei verhindern, dass diese durch den damals sehr starken Freisinn überstimmt wurde.
Heute gilt das Ständemehr als Schutz des Föderalismus. Denn sonst könnten die bevölkerungsreichen Kantone mit grossen Städten wie Zürich, Genf, Basel und Bern alle anderen überstimmen – und das würde die Schweiz einem enormen Spaltungsrisiko aussetzen.
Ständemehr-Entscheid ist sehr selten
Gesehen hat man dies beispielsweise beim Jagdgesetz. Dort haben die urbanen Kantone die Bergkantone überstimmt. Und ein Ständemehr war nicht nötig, weil es sich um ein Referendum handelte.
Dass eine Volksinitiative zwar ein Ja im Volk holt, aber nicht in den Kantonen, kam bisher erst ein Mal vor: 1955 bei der Abstimmung über den «Mieter- und Konsumentenschutz». Und nun, an diesem historischen Sonntag, eben ein zweites Mal.