Da dürften sich viele die Augen reiben: Die Stadtzürcher SVP will den Eurovision Song Contest (ESC) feiern! Im Parlament fordern SVP-Vertreter eine unkomplizierte Bewilligung für ESC-Public-Viewings in Zürich. Der Stadtrat solle prüfen, wie diese «auf öffentlichem Grund unbürokratisch und ohne zusätzliche Auflagen bewilligt werden können». Dies sei im Interesse vieler Gastrobetriebe, betont die SVP in einem Vorstoss.
Der grösste Musikevent der Welt findet im Mai in Basel statt, nachdem Nemo (25) den letzten ESC für die Schweiz gewonnen hat. Um den Zuschlag zu erhalten, musste sich die Stadt unter anderem gegen Genf und Zürich durchsetzen.
Ausgerechnet die SVP setzt sich nun in Zürich für den ESC ein? Die Partei fährt in dieser Frage einen ziemlichen Schlingerkurs. In mehreren Städten sprach sie sich gegen die Finanzierung und Durchführung des Anlasses aus, prominente SVP-Köpfe übten scharfe Kritik. Andere sprachen sich für den ESC aus – und machten aus ihrer Unterstützung keinen Hehl.
Verwirrliche «ESC-Politik» in Zürich
Besonders verwirrlich ist die «ESC-Politik» der SVP in Zürich. Heute macht sie sich für Public Viewings stark. Dass der ESC in Zürich stattfindet, wollte die Stadtpartei aber nicht. Einen entsprechenden Kredit lehnte die SVP-Fraktion ab.
Die Junge SVP ergriff in Zürich sogar das Referendum. Es sei «befremdlich», dass mit öffentlichen Geldern ein Anlass unterstützt werde, der für politische Statements missbraucht werde. Nachdem Zürich aus dem Rennen war, erübrigte sich das Referendum.
Auf nationaler Ebene forderte die SVP Volksabstimmungen in allen Bewerberstädten, um den Einsatz von Steuergeldern für den ESC zu stoppen. So hätte die Partei auch in Bern das Referendum gegen den geplanten Kantonsbeitrag an den ESC ergreifen wollen. SVP-Präsident Marcel Dettling (44) hält den ESC für einen «peinlichen Regenbogen-Anlass». Er ermunterte die SVP-Fraktionen dazu, sich gegen die Austragung des ESC zu wehren.
«Widert mich richtiggehend an»
Für SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger (51) war der Wettbewerb einst ein Highlight, wie sie kürzlich zu Blick sagte. «Heute ist der ESC leider zu einer abscheulichen Politshow verkommen. Der politische Missbrauch der ehemals hochstehenden Veranstaltung widert mich richtiggehend an.» Die «Verschwendung» von 35 Steuermillionen ärgere sie sehr. «Daher werde ich während des ESC in die Ferien fahren.»
Ganz anders sieht man das bei der SVP Basel-Stadt. Sie stellte sich mit grosser Mehrheit hinter den Anlass. «In der Fraktion war relativ klar, dass wir den ESC in Basel unterstützen», sagte Parteipräsident Pascal Messerli (35) dem «Tages-Anzeiger». Er führte auch wirtschaftliche Argumente ins Feld: «Wir können nicht immer motzen, wenn in der Hotelbranche Traditionshäuser eingehen und dann so eine Möglichkeit nicht ergreifen.»
Und in Zürich? Von einem Kurswechsel will die Partei nichts wissen. Man habe mit der Referendumsdrohung verhindert, dass der ESC mit Steuergeldern finanziert in Zürich stattfinde, erklärte Samuel Balsiger (41), SVP-Fraktionschef im Gemeinderat, gegenüber dem «Regionaljournal». Nun wolle man Hand bieten, dass Gastronomiebetriebe, die aus dem ESC ein Geschäft machen wollen, dies unbürokratisch tun können.