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Damit die Überstunden weg sind
Post lässt Kunden warten

Ausgerechnet in der Weihnachtszeit besteht die Post darauf, dass ihre Mitarbeiter in den Filialen Überzeit abbauen. Die Kunden sollen halt warten und die verbleibenden Postangestellten schuften. Hauptsache, Ende Jahr stimmt der Stundensaldo. So geht Service public!
Publiziert: 03.12.2020 um 14:09 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2021 um 13:51 Uhr
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Die Post verlangt, dass das Personal ausgerechnet in der Weihnachtszeit Überzeit abbaut.
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Pascal Tischhauser

Jetzt kommt der Stau am Postschalter. Diesen Dezember erwartet der gelbe Riese einen «Allzeitpaketrekord». Nicht nur in den Paketzentren, auch in den Poststellen schlägt sich das nieder.

Gut, kann sich die Post auf den Ansturm einstellen und fürs notwendige Personal an den Schaltern sorgen – würde man meinen. Nicht so beim gelben Staatsbetrieb. Ganz im Gegenteil. Noch nie in der über 170 Jahre langen Geschichte der Schweizerischen Post werden so viele Päckli versandt worden sein wie diesen Monat – und der gelbe Riese verdonnert das Schalterpersonal ausgerechnet jetzt dazu, Überzeit abzubauen.

Die Post nimmt explizit in Kauf, dass sich im Dezember des Coronajahrs 2020 Schlangen bis aufs Trottoir bilden, dass sich die Leute in den Schalterhallen drängen und die Grossmutter, die ihrem Enkel das Gschenkli schicken will, in der Kälte warten muss. So geht Service public bei der Post.

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«Post muss sich kundennah verhalten»

«Natürlich bin ich dafür, dass Überzeit abgebaut wird», sagt CVP-Nationalrat Martin Candinas (40), der sich seit Jahren im Bundeshaus dafür einsetzt, dass die Post den Service public nicht vergisst. «Das darf aber nicht zulasten der Kundschaft gehen – und das dürfte diesen Dezember schwierig werden», betont der Bündner, um festzuhalten: «Die Post will ein kundennahes Unternehmen sein, dann muss sie sich auch so verhalten.»

Und kundennah muss das Unternehmen, das den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gehört, unbedingt sein. Denn der Bundesrat hat die Post zu «qualitativ hochstehenden» Dienstleistungen im Kerngeschäft verpflichtet.

Und natürlich hat die Post sich den veränderten Marktbedingungen anzupassen. Schliesslich geht die Kundenzahl in den Poststellen zurück – ob so stark, wie das der gelbe Riese vorrechnet, ist umstritten. Es werden seit 2017 nicht ganz alle Kundenkontakte mehr erfasst.

Hauptsache Überstunden abgebaut

Mit der Neuorganisation des Poststellennetzes hat der Staatsbetrieb die Kader von 861 auf neu 677 Personen reduziert, wie die Post auf Anfrage präzisiert. Dabei kam es zu Frühpensionierungen, die laut Arbeitnehmerseite zu einer starken Verknappung der Mitarbeitenden und laut Post nur zu einer «geringen» Reduktion führten.

Wie andernorts auch hatte Corona Auswirkungen auf den Personaleinsatz. Einerseits mussten andere Mitarbeiter die Arbeit von erkrankten Pöstlern übernehmen, andererseits erlaubten die tiefen Kundenfrequenzen laut der Post auch, Überstunden abzubauen.

Schon im Mai habe die Post-Leitung verfügt, konzernweit Überstunden abzubauen – allerdings offenbar mit mässigem Erfolg. Nun will die Post die Überstunden auf dem Buckel der Kunden sowie der verbleibenden Arbeitnehmer an den Postschaltern im Rekordmonat Dezember abbauen.

So gehe man bis Ende Jahr auf den Knien, schildert ein Pöstler, der in einer Poststelle in der Romandie arbeitet. Schon jetzt habe man Warteschlangen. Auch die Gewerkschaft Syndicom befürchtet, dass der grosse Arbeitseinsatz mancher Mitarbeitenden negative Folgen für ihre Gesundheit habe. Die Post entgegnet, die Gesundheit der Mitarbeitenden sei ihr ein grosses Anliegen. Man nehme die Fürsorgepflicht ernst. Laut Post schickt man die Angestellten ja zur Erholung in die Ferien.

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Ferien im Januar gestrichen

Stimmt. Ein Postangestellter berichtet, seine bereits gebuchten Ferien im Januar seien kurzfristig auf den Dezember vorverlegt worden. Auch das ist nicht im Sinn der bundesrätlichen Vorgaben. Die Post hat sich «mit geeigneten Massnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf» zu engagieren.

David Roth (35), der Zentralsekretär Logistik bei Syndicom, betont auf Anfrage, seine Gewerkschaft habe schon im November gefordert, die Post solle auf den Überzeitabbau während der Adventszeit verzichten – und fand kein Gehör. Für die Post ist prioritär, dass zum Jahresende möglichst keine Überzeiten mehr vorhanden sind – egal, welche Nachteile den Kunden und Angestellten dadurch entstehen.


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