Kroatien, Frankreich oder Paraguay – sie alle zählen mehr als 60 Corona-Ansteckungen auf 100'000 Einwohner. Obwohl die Länder den vom Bund festgelegten Schwellenwert überschreiten stehen sie nicht auf dessen Risikoliste. Das könnte sich schon bald ändern – allerdings noch nicht heute!
SP-Gesundheitsminister Alain Berset(48) hat heute Morgen den Gesamtbundesrat über die Situation bezüglich Risikoliste informiert. Das bestätigt Bundesratssprecher André Simonazzi. «Der Bundesrat wurde dabei auch über die epidemiologische Lage in Frankreich informiert», sagt Simonazzi gegenüber BLICK. «Die Situation in Frankreich wird weiterhin geprüft, es wurde aber noch kein Entscheid gefällt.»
Ob und wann ein Entscheid fällt, ist offen. «Über die Liste entscheidet nicht der Gesamtbundesrat, sondern das Innendepartement, in Zusammenarbeit mit dem Justizdepartement», betont Simonazzi. Ebenso unterstreicht er, dass es «keinen Automatismus gibt, wann ein Land auf die Risikoliste kommt».
Mit Frankreich wird es komplizierter
Tatsächlich steht der Bund vor einer besonderen Situation. Denn Frankreich ist ein Nachbarland, da sind zehntausende Grenzgänger betroffen. Die Sache sei denn auch kompliziert, heisst es aus der Verwaltung, weshalb es zusätzliche Abklärungen brauche.
Bundesrat Ueli Maurer (69) sagte am Mittwoch vor den Medien, die Zollverwaltung brauche «Verstärkung durch das Militär», sollte Frankreich auf die Risikoliste gesetzt werden.
Müssen Grenzgänger in Quarantäne?
Es stellen sich derzeit zahlreiche Fragen: Müssen auch Grenzgänger in Quarantäne oder erhalten sie eine Ausnahmebewilligung? Oder wird die Quarantäne nur für einzelne Regionen ausgesprochen?
Dem Vernehmen nach zieht das Bundesamt für Gesundheit bei seiner Analyse verschiedene Faktoren in Betracht. Einen Einfluss hat etwa die Anzahl Tests oder Hospitalisationen in Frankreich. Und die Fallzahlen sind in den französischen Regionen ebenfalls unterschiedlich. Kommt hinzu: Die Corona-Situation ist im Kanton Genf derzeit schlimmer als in den umliegenden französischen Gebieten!
Schreckensszenario für Romands
Mit ein Grund für das Zuwarten des Bundes dürfte auch der politische Widerstand in den Kantonen sein. Denn wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, intervenierten die Westschweizer Kantone in den vergangenen Tagen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Eine zehntägige Quarantäne lässt sich im Fall von Frankreich unmöglich umsetzen», sagt der Genfer Gesundheitsdirektor Mauro Poggia (61) gegenüber der Zeitung.
Genf sei stark auf die französischen Grenzgänger angewiesen. Könnten sie nicht mehr einreisen, würde die Wirtschaft kollabieren. In Genf überqueren täglich 80'000 Personen die Grenze, um in der Schweiz zu arbeiten. Fast die Hälfte der Mitarbeitenden der Genfer Universitätsspitäler (HUG) lebt in Frankreich.
Poggia erinnert an die Zeit während des Lockdowns: «Damals konnten Grenzgänger einreisen, wenn sie ihre Arbeitserlaubnis vorzeigten.» Falls man sie nun in Quarantäne schicke, wäre das völlig unverhältnismässig. Auch erneute Grenzkontrollen hält der Gesundheitsdirektor für problematisch, weil sie zu langen Staus führten.
Quarantäne-Pflicht für Regionen
Der Neuenburger Gesundheitsdirektor Laurent Kurth (52) unterstützt seinen Genfer Kollegen. Er schlägt vor, dass das BAG nicht ganz Frankreich, sondern nur einzelne Regionen auf die Liste setzt. So ist etwa die deutsche Regierung vorgegangen, die am Montag Reisewarnungen für Île-de-France (Paris) und Provence-Alpes-Côte d'Azur verhängt hat.
Eine regionale Lösung hat der Bund bereits für Spanien gezimmert: Das spanische Festland steht auf der Risikoliste, die kanarischen Inseln nicht.