«2019 war es die Finanzkrise, Anfang Jahr kam Corona dazu. Dann explodierte in der Hauptstadt ein Speicher und führte das Land obendrein noch in eine politische Krise», berichtet Richard Asbeck von der Caritas Schweiz. Die Rede ist vom Libanon.
Das Land wankt. Das libanesische Pfund wurde in den letzten zwei Jahren um 80 Prozent abgewertet. Die Folgen sind verheerend: Krankenhäuser – viele davon haben bei der Explosion Schaden genommen – können es sich kaum mehr leisten, im Ausland medizinisches Gerät zu beschaffen. Ärzte kehren dem Libanon wegen der unterirdischen Bezahlungen zudem den Rücken. Alles denkbar schlechte Voraussetzungen, um die Pandemie im Mittelmeerstaat zu bekämpfen.
Laut Asbeck ist es dem Land schon vorher nicht gut gegangen. Doch: «Corona ist ein Katalysator, der alle schlimmen Zustände noch verschlimmert», sagt der Caritas-Mitarbeiter.
Vom Regen in die Traufe
Von den erschreckenden Zuständen berichten auch andere Auslandexperten. Zum Beispiel Kaspar Schmidt. Er wohnt aufgrund seiner Arbeit für die Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas derzeit in Lima, der Hauptstadt Perus. Dort leben rund 1,3 Millionen venezolanische Flüchtlinge: «Unvorstellbar für die kleine Schweiz. Doch auch für Peru ist das eine grosse Zahl – und eine gewaltige Herausforderung in der Corona-Krise.» In Peru leben etwa 32 Millionen Menschen.
Von diesen arbeiten laut Schmidt zwei Drittel im informellen Sektor, also nicht in geregelten Arbeitsverhältnissen mit sozialer Absicherung, wie wir das aus der Schweiz kennen. Bei den Flüchtlingen sind es sogar 90 Prozent, die im informellen Wirtschaftssektor, auch Schattenwirtschaft genannt, ihr Einkommen finden.
Das sind Jobs, die auf der Strasse oder auf dem Markt in Kontakt mit anderen ausgeübt werden. «Die bereits armen Menschen sind also vom Regen in die Traufe gekommen, denn während des 10-wöchigen Lockdowns war es ihnen beinahe unmöglich, Geld zu verdienen», so Schmidt – und eben, versichert ist dieser Verdienstausfall natürlich nicht.
«Man braucht globale Lösungen»
Der Lockdown sei aber nötig gewesen, weil sich das Coronavirus in Peru unglaublich schnell verbreitete. «Viele Menschen konnten sich aber aufgrund ihrer Lebensverhältnisse schlichtweg nicht an die Hygiene- und Abstandsmassnahmen halten.» Die Menschen mussten wieder auf die Strasse um zu überleben – manchmal auch, um zu betteln.
«Das Problem ist nicht von einzelnen Staaten lösbar – das sehen wir auch hier in der Schweiz», erklärt Gülcan Akkaya, Dozentin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern. Sie forscht zu Flüchtlingsfragen in Äthiopien. Man brauche globale Lösungen. Denn: «Soziale Ungleichheit verschärft sich – weltweit!»
Am Donnerstag führt die Glückskette einen Nationalen Solidaritätstag durch, um Geld für die Opfer der Coronakrise in Entwicklungsländern zu sammeln.
Gratis-Telefonnummer für Spenden: 0800 87 07 07. Postkonto 10-15000-6, Vermerk «Coronavirus International».
BLICK: Herr Thomann, wieso soll man im Ausland helfen? Vielen Schweizern geht es wegen Corona auch nicht gut!
Roland Thomann: Humanitär gesehen macht es Sinn, zuerst für unser Land zu sammeln. Das haben wir aber anfangs der Krise bereits getan und tun wir immer noch. Doch in vielen anderen Ländern sind die Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitssysteme viel schwächer als bei uns. Dort werden die Schwächeren viel stärker von der Krise getroffen. Es geht ums Überleben. Zudem kann die Pandemie nur überwunden werden, wenn sie überall auf der Welt eingedämmt wird.
Wie unterscheiden sich die Probleme für die Menschen in Entwicklungsländern noch von unseren?
Für die Menschen dort handelt es sich eher um eine ökonomische als gesundheitliche Krise: Die Wertschöpfungsketten funktionieren nicht mehr – sie können keiner Lohnarbeit mehr nachgehen. Unterstützung von Verwandten im Ausland bleibt aus, weil die auch ihre Arbeit verloren haben. Nur: Es gibt keine Auffangsysteme wie in der Schweiz. Kinder können zum Beispiel die Schule nicht mehr besuchen. Dadurch fehlt es ihnen nicht nur an Bildung, sondern sie müssen auch auf die Mahlzeiten verzichten, die sie dort bekommen hätten. Die Hoffnung, endlich der Armutsfalle entkommen zu können, stirbt. Und je prekärer die Situation für die Leute wird, je mehr Fortschritte verloren gehen, desto schwieriger und teurer wird der Wiederaufbau in ein paar Jahren.
Es geht ja auch um Soforthilfe. Wie leisten Sie derzeit humanitäre Hilfe?
Wir finanzieren aktuell schon diverse Projekte aus unserem Notfallfond. Effizient ist direkte finanzielle Hilfe. So können die Menschen beispielsweise Seife bei einem lokalen Händler einkaufen, der dann auch von der Hilfe profitiert. Das nützt mehr, als den Menschen ausländische Hilfspakete in die Hände zu drücken. Ausserdem unterstützen wir medizinisches Personal mit Schutzequipment und sorgen dafür, dass die Ausbildung der Heranwachsenden möglichst nicht unterbrochen wird.
Corona ist doch aber nicht das grösste Übel in Entwicklungsländern, oder?
Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Verstärker. Zum Beispiel war die Nachbarschaftshilfe in der Schweiz während des Lockdowns ausserordentlich hoch. Leider werden in Entwicklungsländern die negativen Effekte besonders verstärkt: Lücken werden grösser. Mehr Menschen geraten in Abhängigkeit. In der Schweiz haben wir eine gewisse Sicherheit, die Pandemie irgendwann zu überwinden und uns zu erholen. In Entwicklungsländern haben das die Menschen nicht. Die Glückskette möchte diesen Menschen Hoffnung schenken. Jedes Zeichen der Solidarität zählt deshalb besonders stark in diesen schwierigen Zeiten.
Roland Thomann (45) ist seit Januar 2020 Direktor der Glückskette. Am Donnerstag führt sie einen Nationalen Solidaritätstag durch, um Geld für die Opfer der Coronakrise in Entwicklungsländern zu sammeln.
BLICK: Herr Thomann, wieso soll man im Ausland helfen? Vielen Schweizern geht es wegen Corona auch nicht gut!
Roland Thomann: Humanitär gesehen macht es Sinn, zuerst für unser Land zu sammeln. Das haben wir aber anfangs der Krise bereits getan und tun wir immer noch. Doch in vielen anderen Ländern sind die Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitssysteme viel schwächer als bei uns. Dort werden die Schwächeren viel stärker von der Krise getroffen. Es geht ums Überleben. Zudem kann die Pandemie nur überwunden werden, wenn sie überall auf der Welt eingedämmt wird.
Wie unterscheiden sich die Probleme für die Menschen in Entwicklungsländern noch von unseren?
Für die Menschen dort handelt es sich eher um eine ökonomische als gesundheitliche Krise: Die Wertschöpfungsketten funktionieren nicht mehr – sie können keiner Lohnarbeit mehr nachgehen. Unterstützung von Verwandten im Ausland bleibt aus, weil die auch ihre Arbeit verloren haben. Nur: Es gibt keine Auffangsysteme wie in der Schweiz. Kinder können zum Beispiel die Schule nicht mehr besuchen. Dadurch fehlt es ihnen nicht nur an Bildung, sondern sie müssen auch auf die Mahlzeiten verzichten, die sie dort bekommen hätten. Die Hoffnung, endlich der Armutsfalle entkommen zu können, stirbt. Und je prekärer die Situation für die Leute wird, je mehr Fortschritte verloren gehen, desto schwieriger und teurer wird der Wiederaufbau in ein paar Jahren.
Es geht ja auch um Soforthilfe. Wie leisten Sie derzeit humanitäre Hilfe?
Wir finanzieren aktuell schon diverse Projekte aus unserem Notfallfond. Effizient ist direkte finanzielle Hilfe. So können die Menschen beispielsweise Seife bei einem lokalen Händler einkaufen, der dann auch von der Hilfe profitiert. Das nützt mehr, als den Menschen ausländische Hilfspakete in die Hände zu drücken. Ausserdem unterstützen wir medizinisches Personal mit Schutzequipment und sorgen dafür, dass die Ausbildung der Heranwachsenden möglichst nicht unterbrochen wird.
Corona ist doch aber nicht das grösste Übel in Entwicklungsländern, oder?
Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Verstärker. Zum Beispiel war die Nachbarschaftshilfe in der Schweiz während des Lockdowns ausserordentlich hoch. Leider werden in Entwicklungsländern die negativen Effekte besonders verstärkt: Lücken werden grösser. Mehr Menschen geraten in Abhängigkeit. In der Schweiz haben wir eine gewisse Sicherheit, die Pandemie irgendwann zu überwinden und uns zu erholen. In Entwicklungsländern haben das die Menschen nicht. Die Glückskette möchte diesen Menschen Hoffnung schenken. Jedes Zeichen der Solidarität zählt deshalb besonders stark in diesen schwierigen Zeiten.
Roland Thomann (45) ist seit Januar 2020 Direktor der Glückskette. Am Donnerstag führt sie einen Nationalen Solidaritätstag durch, um Geld für die Opfer der Coronakrise in Entwicklungsländern zu sammeln.