Noch wagt sich niemand aus der Deckung. Noch hat keine und keiner sein Interesse angemeldet, nachdem die Grünen am Samstag angekündigt hatten, bei den Bundesratswahlen vom 13. Dezember einen der beiden FDP-Sitze angreifen zu wollen – trotz der Schlappe bei den Parlamentswahlen.
Die Grünen würden nicht antreten, weil sie sich hohe Chancen ausrechnen, sondern um deutlich zu machen, «dass wir einen legitimen Anspruch auf einen Sitz in der Regierung haben», so Parteipräsident Balthasar Glättli (51). Selber aber steht er für eine Kandidatur nicht zur Verfügung. Auch ihm ist klar, dass die Wahlchancen minim sind. Wer kandidiert, läuft Gefahr, verheizt zu werden.
«Es ist kein guter Moment»
Und so überrascht es wenig, dass derzeit Absage auf Absage folgt. So verzichtet etwa Ex-Parteipräsidentin Regula Rytz (61), die schon 2019 für die Grünen die Bundesratskohlen aus dem Feuer holen sollte. Das ist dieses Mal anders: «Nein, ich stehe nicht zur Verfügung», sagt Rytz zu Blick.
Rytz wurde von der Partei schon vor längerem angefragt, hat aber abgesagt. Das hat auch mit ihrem Rücktritt aus dem Parlament im Mai 2022 zu tun: «Ich habe mein Leben neu organisiert und bin sehr zufrieden damit.»
Auch die oft genannte Genfer Ständerätin Lisa Mazzone (35) will derzeit von einer Kandidatur nichts wissen. «Es ist kein guter Moment», erklärt sie gegenüber Blick. Die Grünen-Vizepräsidentin hat nicht nur kleine Kinder, sie muss in Genf auch gerade um ihre Wiederwahl in den Ständerat bangen.
«Ich stehe nicht zur Verfügung»
Auch die Baselbieter Ständerätin Maya Graf (61) verzichtet auf eine Kandidatur. Genauso wie die Aargauerin Irène Kälin (36), die letztes Jahr als Nationalratspräsidentin amtete. Eine Absage kommt auch von Nationalrätin Greta Gysin (40), die sich derzeit ganz auf den zweiten Ständerats-Wahlgang im Tessin konzentrieren will.
Auch aus den Kantonen heisst es bisher «Njet». So sagt etwa der Zürcher Baudirektor Martin Neukom (37) ab. Er gilt als pragmatischer Grüner, was ihn wählbarer gemacht hätte als andere. Neukom will jedoch nicht. «Ich stehe für eine Bundesratskandidatur nicht zur Verfügung», sagt er zu Blick.
Keine erneute Kandidatur will die Solothurner Regierungsrätin Brigit Wyss (63) anstreben. Als Nationalrätin hatte sie die FDP schon einmal herausgefordert – und zwar 2010, als es um die Nachfolge von Bundesrat Hans-Rudolf Merz (80) ging. «Ich bin sehr gerne Regierungsrätin», erklärt Wyss nun ihren Verzicht.
Nächste Woche muss Kandidatur stehen
Die Zeit drängt. Interessenten der Grünen haben nur bis Freitag Zeit, ihren Hut in den Ring zu werfen. Viel Bedenkzeit bleibt nicht mehr. Eine Woche später will die Bundeshausfraktion entscheiden, wer antreten soll.
Noch haben sich einige mögliche Kandidierende nicht geäussert. Sie sagen nicht mehr, als dass sie es sich «sorgfältig überlegen». Oder sie schweigen gleich ganz, sind auf Tauchstation. Es gilt, Fettnäpfchen zu vermeiden.
Noch im Rennen ist etwa der Glarner Ständerat Mathias Zopfi (39). Als grüner Vertreter eines sehr bürgerlichen Kantons politisiert er am rechten Rand seiner Partei: für eine Bundesratskandidatur ein Vorteil. Eine Kandidatur schliesst er nicht aus. Genauso wie die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt (56) oder der Freiburger Gerhard Andrey (47). Bedeckt hält sich bisher die St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser (32). Der Zürcher Nationalrat Bastien Girod (42) will am Donnerstag über seine Pläne informieren.
Sie alle wissen natürlich, dass ihre Wahlchancen äusserst gering wären. Die FDP denkt nicht daran, freiwillig einen Sitz abzugeben. Und auch die meisten anderen Parteien haben kein Interesse daran, einen amtierenden Bundesrat abzuwählen. Sogar die SP zögert, um nicht selber einen Sitz zu verlieren. Derzeit spricht wenig für einen grünen Bundesratssitz.