Die Sozialhilfe für Ausländer beschäftigt nicht nur das Parlament. Dort wird derzeit gerade diskutiert, ob der Bezug der Sozialleistungen Grund genug sein darf, um jemanden auszuschaffen – auch wenn die Person seit vielen Jahren in der Schweiz lebt.
Während im Parlament eine Lockerung Thema ist, arbeitet der Bundesrat gleichzeitig an einer Verschärfung der Regeln für ausländische Sozialhilfebezüger. Um Kosten zu sparen, will der Bundesrat Ausländerinnen und Ausländern, die aus einem Drittstaat kommen, die Sozialhilfe kürzen. Erst wenn sich jemand von ausserhalb der EU und der Efta länger als drei Jahre in der Schweiz aufgehalten hat, sollen die regulären Ansätze gelten. Der Vorschlag geht auf einen Vorstoss der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats zurück.
Die Sozialhilfe-Quote liegt in dieser Bevölkerungsgruppe bei 8,8 Prozent. Damit ist sie fast viermal höher als bei Schweizerinnen und Schweizern und mehr als dreimal höher als bei europäischen Ausländern, für die die Personenfreizügigkeit gilt.
«Verfassungswidrig» und «höchst problematisch»
Bei den Kantonen kommen die Sparpläne aber gar nicht gut an. Zahlreiche Kantonsregierungen werfen dem Bundesrat Verfassungsbruch vor. Denn mit ihren Plänen greife die Landesregierung in unzulässiger Weise in die Hoheit der Kantone ein, heisst es in mehreren kantonalen Schreiben. Dies, weil die Sozialhilfe Sache der Kantone ist. Die vorgeschlagene Änderung des Ausländergesetzes sei daher «verfassungswidrig» und «höchst problematisch», hält die Basler Regierung fest.
Auch die Exekutiven von Zürich, dem Aargau, Waadt, Glarus und Nidwalden legen Protest ein. Noch haben nicht alle Kantone ihre Stellungnahmen veröffentlicht. Die Vernehmlassungsfrist läuft erst kommende Woche ab. Angesichts der vorliegenden Stellungnahmen ist aber davon auszugehen, dass sich die grosse Mehrheit der Kantone gegen den Bundesrat stellt. Auch die Sozialhilfe-Konferenz (Skos) hat den Kantonen geraten, sich gegen den Eingriff in ihren Kompetenzbereich zu wehren.
Auch inhaltlich zerzaust
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Mehrere Kantone verweisen auf ein Rechtsgutachten, das die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren bereits 2020 in Auftrag gegeben hatte. Es kommt ebenfalls zum Schluss, dass der Bund mit dem Vorschlag, die Sozialhilfe für Ausländer zu kürzen, «seine verfassungsmässigen Kompetenzen» überschreite. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Bundesamt sind gegenteiliger Überzeugung.
Aber auch inhaltlich wird die Sozialhilfe-Verschärfung zerzaust. Die geplante Regelung sei «nicht nötig, nicht sachgerecht und nicht zielführend», weist die Zürcher Regierung den Bundesrat zurecht. Kürze man die Sozialhilfe, erschwere man die – auch berufliche – Integration der knapp 70'000 betroffenen Ausländerinnen und Ausländer. Und man verursache damit langfristig mehr Kosten als Einsparungen.
Die zuständige Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) wird angesichts der harschen Kritik aus den Kantonen noch einmal über die Bücher gehen müssen. Der Tenor ist deutlich: Bei der Sozialhilfe lassen sich die Kantone nicht dreinreden.