Bundesrätin Viola Amherd (59, Mitte) wendet sich mit einem Durchhalte-Appell an die Bevölkerung. «Wir müssen uns jetzt noch einmal zusammenreissen», sagt sie im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» mit Blick auf den weiteren Corona-Winter.
«Wir haben in der Schweiz relativ milde Massnahmen und müssen Sorge tragen, dass wir nicht in einen Lockdown gehen müssen», so Amherd. Die Verteidigungsministerin gehört im Bundesrat zum vorsichtigen Lager und hat sich gemäss Blick-Recherchen auch jüngst für noch härtere Massnahmen ausgesprochen, als schliesslich beschlossen wurden.
«Wir sind einfach auch verwöhnt»
Sie habe Verständnis dafür, dass die Nerven nach knapp zwei Jahren Pandemie blank liegen, sagt sie. Doch ihrem persönlichen Umfeld sage sie immer wieder, dass man sich bewusst sein müsse, «wie flott wir es in unserem Land haben». «Ich denke, dass wir einfach auch verwöhnt sind. In den letzten Jahrzehnten ging es uns immer gut. Darum sind wir es nicht gewohnt, eine solche Krise auszuhalten. Es ist nun der Moment, sich dessen bewusst zu werden», findet Amherd.
Sie bedaure sehr, dass sich die Schweiz nun kurz vor den Feiertagen wieder in einer solch schwierigen Lage befinde. Treffen von Familien und Freunden seien nicht im üblichen Masse möglich, was eine schwierige Situation sei. «Deswegen ist es wahnsinnig wichtig, dass sich noch so viele Menschen wie möglich impfen lassen.»
Bundesrat hätte schneller handeln müssen
Amherd übt auch Selbstkritik. Der Bundesrat habe in der Krise nach bestem Wissen und gewissen gearbeittet. Rückblickend werde sich aber «gewiss» zeigen, dass man es in einigen Bereichen hätte besser machen können. «So hätten wir etwa manchmal schneller reagieren müssen», sagt Amherd.
Als konkretes Beispiel für einen Fehlentscheid nennt Amherd den Beschluss vergangenen Herbst, Grossanlässe wieder zuzulassen. «Aus heutiger Sicht war das falsch.» Schon nach wenigen Wochen musste der Bundesrat den Entscheid wieder rückgängig machen.
Die Ministerin verteidigt die Regierung aber auch. Im Rückblick sei es einfach Fehler festzustellen, wenn man die Konsequenzen der Entscheide kennt. «Das Ziel das Bundesrats war immer, dass die Bevölkerung mitmacht und Entscheide nachvollziehen kann. Wir mussten deshalb darauf achten, nicht zu früh zu drastische Massnahmen zu verordnen. Dafür haargenau den richtigen Moment zu erwischen, ist eine Kunst.» (lha)