Simonetta Sommaruga (60) hat genug lange zugeschaut. Zugeschaut, wie die Corona-Zahlen wieder steigen. Wie jeder Kanton macht, was er will. Wie ein Flickenteppich entsteht, der die Bevölkerung verunsichert. Und sie hat gehört, dass einige Kantone nach mehr Unterstützung rufen.
Am Donnerstag lädt die Bundespräsidentin deshalb zum Krisengipfel. Angesichts der hohen Ansteckungszahlen will sie die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen stärken und ausloten, wie sich beide Seiten die Strategie für die kommenden Monate vorstellen.
Kritik an Berset aus den Kantonen
Hinter den Kulissen ist man froh, dass die SP-Bundesrätin die Zügel in die Hand nimmt. Der eigentlich zuständige Gesundheitsminister Alain Berset (48, SP) sei für die Kantone schwer zu lesen, heisst es. So spreche er seit Tagen von «regionalen Lockdowns» – nur um dann anzufügen, dass diese Sache der Kantone seien. «In diesem Fall soll er das auch uns überlassen und nicht ständig davon schwadronieren», tönt es aus einem Kanton. In einem anderen findet man, Berset sei mit der Krise abgehoben. «Doch Politik wird auf dem Boden der Realität gemacht.» Sommaruga spüre das besser.
Die Erwartungen ans Treffen sind gross. «Wir erhoffen uns eine Lagebeurteilung, auf die gestützt das weitere Vorgehen in der Krise und die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen besprochen werden», sagt Christian Rathgeb (50), Bündner Regierungspräsident. Der Chef der Konferenz der Kantonsregierungen wird am Treffen teilnehmen.
Bund und Kantone sollen Empfehlungen erarbeiten
Der oberste Volkswirtschaftsdirektor Christoph Brutschin (62) meint, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen wegen der steigenden Infektionszahlen «enger verzahnt» werden muss. «Möglich wäre etwa, dass man gemeinsam Kriterien aufstellt, bei deren Bedingung dann spezifische Massnahmen wie eine Ausdehnung der Maskenpflicht empfohlen werden», sagt er.
Der Basler macht klar: «Die Volkswirtschaftsdirektoren tragen alle Massnahmen mit, die einen zweiten Lockdown verhindern, und sind sich bewusst, dass dies Einschränkungen zur Folge haben kann.»
Kakofonie verhindern
Dass neben den Gesundheitsdirektoren auch die Volkswirtschaftsdirektoren mit am Tisch sitzen, hat einen Grund: Sommaruga will die tonangebenden Stellen zusammenbringen. Denn die Volkswirtschaftsdirektoren würden nur den Draht zu Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60) suchen, die Gesundheitsdirektoren den zu Berset.
Wohin das führt, hat man bei der Wiedereinführung der Grossveranstaltungen gesehen: Wollten die Gesundheitsdirektoren davon nichts wissen, drängten die Volkswirtschaftsdirektoren darauf – die Kakofonie war perfekt. Sommaruga will eine Wiederholung in den herausfordernden Wintermonaten vermeiden.