Schon ab nächster Woche will der Bund die ersten Corona-Pässe ausstellen. Und Ende Juni sollen alle Betroffenen vor einem Flug oder Fussballmatch beweisen können, dass sie geimpft, von Corona genesen oder negativ getestet sind. Gewisse Veranstaltungen sollen künftig nur mit Covid-19-Zertifikat zugänglich sein. Dafür plant SP-Gesundheitsminister Alain Berset (49) ein spezielles Ampelsystem. So könnten zum Beispiel Beizer oder Kinobetreiber Ungeimpfte aussperren.
Den Corona-Skeptikern sind solche Ungleichbehandlungen ein Dorn im Auge. Sie fürchten einen indirekten Impfzwang. Ähnlich tönt es bei der SVP. «Wir lehnen eine zu breite Anwendung des Covid-Zertifikats ab – es führt zu Diskriminierung und einem versteckten Impfzwang», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi (42) zu Blick. Für die internationale Geschäftsfliegerei brauche es zwar einen Nachweis, allenfalls auch für Grossveranstaltungen, «aber sicher nicht für den Restaurantbesuch».
Parmelin forderte früh einen Impfnachweis
In der SVP gehen die Meinungen allerdings auseinander. Ausgerechnet SVP-Bundespräsident Guy Parmelin (61) gehört zu den glühendsten Verfechtern eines Covid-Zertifikats. Hinter den Kulissen brachte der Waadtländer schon im Februar die Idee einer «elektronisch lesbaren Karte» in der Art eines SBB-Generalabonnements aufs Tapet, als die Landesregierung ein Aussprachepapier von Berset zur Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften diskutierte. Das zeigen Dokumente, welche Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat.
Diese Karte müsse praktisch und einfach zu kontrollieren sein und wie ein Impfausweis funktionieren, um die Geimpften zu legitimieren, so Parmelins Generalsekretariat in der Ämterkonsultation. Und: Alain Bersets Innendepartement müsse schnellstens ein solches System schaffen.
Auch von einer möglichen Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften liess sich Parmelin nicht abschrecken. Im Gegenteil, er sah die Ungleichbehandlung eher als Druckmittel. Sich impfen zu lassen, sei ein «acte citoyen» – ein Akt als verantwortungsvoller Bürger, quasi Bürgerpflicht –, betonte Parmelins Generalsekretärin Nathalie Goumaz in der Stellungnahme.
Zwar müsse man respektieren, wenn sich jemand nicht impfen lassen wolle. Doch angesichts der drastischen Einschränkung der Grundrechte sei eine Rückkehr der Geimpften in ein normales Leben stärker zu gewichten – auf die Gefahr hin, dass die Freiheiten der Ungeimpften direkt oder indirekt eingeschränkt bleiben. Insbesondere dann, wenn alle geimpft sind, die sich eine Impfung wünschten.
Auf eine Impfung zu verzichten, sei ein persönlicher und damit eigenverantwortlicher Entscheid. Impfunwillige müssten deshalb auch mit den Konsequenzen leben. «Das finden wir vollkommen akzeptabel», so Goumaz. Das Innendepartement müsse öffentlich ankündigen, wann dieser Zeitpunkt gekommen sei.
Ab diesem Moment müssten auch Veranstalter und Gastrobetreiber die Wahl haben, wer ihre Angebote nutzen dürfe. Entweder soll es einen Zugang nur für solche geben, die zweimal gepikst wurden, oder es brauche ein entsprechendes Schutzkonzept.
Mittlerweile ist klar, dass das Zertifikat nicht nur für Geimpfte, sondern auch für Genesene und Getestete gelten soll. Einige sprechen darum auch von einem GGG-Nachweis.
Parmelin stellt Maskenpflicht für Geimpfte in Frage
Parmelins Leute wollten sogar einen Schritt weiter gehen und stellten ein Ende der Maskenpflicht für Geimpfte in den Raum: Reisende und Pendler würden im öffentlichen Verkehr seit Monaten brav Masken tragen, was weder angenehm noch praktisch sei. «Ist es wirklich vertretbar, geimpft zu sein und im ÖV weiterhin eine Maske tragen zu müssen aus Solidarität mit Sitznachbarn, die sich entschieden haben, sich nicht impfen zu lassen?», so die rhetorische Frage.
In der Arbeitswelt plädierte das Wirtschaftsdepartement ebenfalls für einen harten Kurs für Ungeimpfte – insbesondere im Gesundheitswesen oder im internationalen Reiseverkehr. «Müsste eine Impfverweigerung allenfalls nicht als berufliches Fehlverhalten betrachtet werden?», so der Input. Eine Covid-Infektion im Gesundheitswesen wird je nach Situation nämlich als Berufskrankheit anerkannt, die Unfallversicherung übernimmt die Kosten. Das wirke sich negativ auf die künftigen Prämien aus, mahnt Goumaz.
Ganz in SVP-Manier hingegen bringt Parmelins Generalsekretariat noch ein weiteres heisses Eisen ins Spiel: ein Covid-Impfobligatorium für ausländische Grenzgänger und Touristen, die ins «nationale Territorium» einreisen wollten. Es vergleicht dies mit der Gelbfieber-Impfpflicht in gewissen Ländern.
Parmelin will zurück zur Normalität
Auf seine knallharte Haltung angesprochen, sagte Parmelin am Dienstag zu Blick TV: «Wir wollen alle in die Normalität zurückkommen!» Er sehe daher keine Probleme. Diskriminierend sei vielmehr, wenn sich die Geimpften künftig weiterhin an Einschränkungen halten müssten.
«Es gibt keinen Impfzwang. Alle können entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht – sie müssen aber auch die Konsequenzen tragen», so Parmelin. «Die eigene Freiheit stoppt dort, wo die Freiheit der anderen beginnt. Das ist eine Abwägung.»
SVP-Aeschi nimmt Ball auf
SVP-Fraktionschef Aeschi sieht den Hardlinerkurs seines Bundesrats gelassen. Er habe wohl auch mit der damals unsicheren Situation zu tun, mutmasst er.
Bei der Grenzfrage nimmt er Parmelins Ball aber gern auf: In der Diskussion um das Covid-19-Gesetz bringt Aeschi einen Einzelantrag dazu ein. Er fordert eine systematische Kontrolle der Landesgrenzen. Und: «Personen, die in die Schweiz auf der Strasse, mit der Bahn, zu Fuss, per Schiff oder mit dem Flugzeug einreisen, haben den Nachweis zu erbringen, dass sie von Covid-19 genesen, gegen Covid-19 geimpft oder negativ auf Covid-19 getestet sind.» Für Schweizer Staatsbürger und gewisse EU-/Efta-Angehörige sieht er einen «vereinfachten Nachweis» vor.
Aktuell müssten nur Flugreisende einen sogenannten GGG-Nachweis erbringen, sagt Aeschi. «Im Hinblick auf die Sommerferien soll bei der Einreise von Ausländern auch auf dem Land- und Seeweg der GGG-Nachweis obligatorisch werden.»
Der Bundesrat stellte sich auch die Frage, welchen Einfluss der Impfstatus am Arbeitsplatz haben sollte. Grundsätzlich sollte das Thema in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern geregelt werden. Die Impffrage stellt sich besonders im Gesundheitswesen, doch hier sollten die dafür zuständigen Kantone sie klären.
Aber auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) brachte in der Ämterkonsultation vom Februar einen brisanten Vorschlag dazu ein: eine Impfbevorzugung des Flugpersonals! Einzelne Staaten könnten die Einreise von Luftfahrtpersonal künftig von einem Impfnachweis abhängig machen, gab das Bazl zu bedenken. «Insofern müsste im Interesse der Konnektivität eine priorisierende Impfung dieser Personalkategorie vorgesehen werden.» Es müsse möglich sein, «auch nicht unmittelbar gesundheitlich relevante Personenkreise impfmässig vorzuziehen», forderte das Bazl.
BAG behielt Input im Hinterkopf
Die Forderung wurde jedoch nicht ins Aussprachepapier aufgenommen. Man wolle die Regelung allgemein halten und nicht auf Detailfragen bei einzelnen Berufen eingehen, hielt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in seiner Antwort fest.
Die vom Bazl aufgeworfene Problematik stelle sich auch bei weiteren grenzüberschreitenden Aktivitäten. Die Frage müsse man in der Impfstrategie behandeln. Man behalte den Input daher im Hinterkopf, versprach das BAG. Ruedi Studer
Der Bundesrat stellte sich auch die Frage, welchen Einfluss der Impfstatus am Arbeitsplatz haben sollte. Grundsätzlich sollte das Thema in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern geregelt werden. Die Impffrage stellt sich besonders im Gesundheitswesen, doch hier sollten die dafür zuständigen Kantone sie klären.
Aber auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) brachte in der Ämterkonsultation vom Februar einen brisanten Vorschlag dazu ein: eine Impfbevorzugung des Flugpersonals! Einzelne Staaten könnten die Einreise von Luftfahrtpersonal künftig von einem Impfnachweis abhängig machen, gab das Bazl zu bedenken. «Insofern müsste im Interesse der Konnektivität eine priorisierende Impfung dieser Personalkategorie vorgesehen werden.» Es müsse möglich sein, «auch nicht unmittelbar gesundheitlich relevante Personenkreise impfmässig vorzuziehen», forderte das Bazl.
BAG behielt Input im Hinterkopf
Die Forderung wurde jedoch nicht ins Aussprachepapier aufgenommen. Man wolle die Regelung allgemein halten und nicht auf Detailfragen bei einzelnen Berufen eingehen, hielt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in seiner Antwort fest.
Die vom Bazl aufgeworfene Problematik stelle sich auch bei weiteren grenzüberschreitenden Aktivitäten. Die Frage müsse man in der Impfstrategie behandeln. Man behalte den Input daher im Hinterkopf, versprach das BAG. Ruedi Studer