Bund will beim Bezug von Vorsorgekapital mehr abschöpfen
FDP droht mit Referendum gegen höhere Steuern auf 2. und 3. Säule

Der Bund will Kapitalbezüge bei der Pensionskasse und die dritte Säule stärker besteuern. Der Widerstand dagegen ist gross. Die FDP denkt bereits über ein Referendum nach.
Publiziert: 10:18 Uhr
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Aktualisiert: 11:36 Uhr
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FDP-Präsident Thierry Burkart will sich gegen höhere Abgaben bei der dritten Säule oder bei der Pensionskasse wehren.
Foto: URS FLUEELER
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Es ist einer der umstrittensten Punkte im Spar- und Entlastungspaket von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (61, FDP): Bei der Auszahlung von Pensionskassengeldern und Guthaben in der dritten Säule sollen höhere Abgaben fällig werden. Zwar war der Widerstand bereits gross, als im Herbst eine Expertengruppe erste solche Pläne auf den Tisch legte. Innert Kürze sammelte die FDP über 40’000 Unterschriften dagegen. 

Dennoch finden sich im entscheidenden Paket, das der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt hat, immer noch die höheren Abgaben. Und das soll trotz inzwischen etwas besserer Aussichten auch so bleiben, wie Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch an ihrer Pressekonferenz zu den Finanzzahlen des Bundes herausstrich. 

Immerhin: Der Bundesrat betonte, dass es für Ehepaare künftig teilweise sogar günstiger werde. Ebenso sollen sich die Tarife für Bezüge unter 100’000 Franken nur moderat erhöhen. Die oft tieferen Bezüge aus der Säule 3a würden so «weiterhin zu sehr gemässigten Sätzen besteuert werden», sagt der Bund. Die Reform trifft vor allem grosse Kapitalbezüge. (Genaue Zahlen findest Du im Kasten.) 

FDP droht Referendum an

Für FDP-Präsident Thierry Burkart (49) hat sich trotz moderater Erhöhungen im tieferen Bezugsbereich und günstigerer Sätze für Ehepaare nichts geändert. Der Aargauer Ständerat droht weiterhin den Widerstand seiner Partei an. Gegenüber Blick kündigt er an: «Das werden wir mit aller Kraft bekämpfen, allenfalls mittels Referendum.» 

Burkart sagt: «Man bestraft diejenigen Leute, die ein Leben lang gearbeitet und eigenverantwortlich für den Ruhestand gespart haben. Die höheren Steuern betreffen letztlich alle. Und auch die Regeln ändern sich während des Spiels für alle.» 

Die neusten Finanzzahlen des Bundes bestätigen Burkart in seiner Einschätzung. Sie zeigen nämlich, dass die Einnahmen dank den Steuern der Unternehmen «sprudeln». «Aber die Ausgaben beim Bund leider noch mehr», sagt Burkart. «Daher muss der Bund endlich bei den Ausgaben ansetzen. Eine neue Vorsorgesteuer, die mehr Einnahmen für den Bund bringen soll. ist unter diesen Vorzeichen absurder denn je.»

Mitte entscheidet – kleines Powerplay startet schon

Entscheidend sein wird letztlich, wie sich die Mitte verhält, wenn die höheren Steuersätze auf die zweite oder dritte Säule ins Parlament kommen. Die Partei dürfte bei dieser Frage das Zünglein an der Waage sein. Noch habe sich die Fraktion nicht eingehend mit einzelnen Punkten des Entlastungspakets befasst, sagt Nationalrat Reto Nause (53, BE). Der Finanzpolitiker selbst zeigt sich skeptisch. «Diese Massnahme trifft den Mittelstand. Wer spart, wird bestraft.» 

Ein kleines Powerplay bahnte sich schon an. Der Bundesrat werde sich einen Plan B ausdenken, wenn es zur Referendumsabstimmung und einem Nein dort komme, sagte Keller-Sutter an ihrer Medienkonferenz. Zumindest indirekt drohte sie für diesen Fall Steuererhöhungen an – viel mehr bliebe nicht übrig, sagte sie. 

Das sind die Hintergründe

Was sind die Argumente für oder gegen eine höhere Besteuerung? Blick liefert einige Fakten und Hintergründe:

  • 2021 bezogen laut verfügbaren Daten zur Bundessteuer 223’078 Personen in der einen oder anderen Form Kapitalleistungen über 23,5 Milliarden Franken. Im Schnitt waren es 105’000 Franken pro Person. Damit würde die Belastung nur moderat steigen, um rund 50 Franken.
  • Ein etwas anderes Bild ergibt der Blick auf die Pensionskassenstatistik des Bundes: 2023 wurden 15,0 Milliarden Franken in Form einer Kapital- oder Teilkapitalauszahlung bei Pensionierung ausbezahlt, das sind durchschnittlich 261’362 Franken pro Person. Die Mehrbelastung würde bei einem Kapitalbezug von 200’000 Franken für eine Einzelperson neu rund 3600 statt 2600 Franken ausmachen, auf Ebene Bundessteuern.
  • Es kommt vor, dass sich Leute das Pensionskassenkapital ausbezahlen liessen und aufbrauchten. Im hohen Alter musste dann die Allgemeinheit beispielsweise für Pflegekosten aufkommen, weil nun Geld fehlte. Steigen die Steuertarife, ist der Anreiz höher, die Rente zu beziehen.
  • Experten warnen dagegen, dass bei höheren Steuern der Anreiz sinkt, in die zweite oder dritte Säule einzuzahlen.
  • Renten sind für die Pensionskassen teurer als die Auszahlung des Kapitals. Für sie ist es nicht unerheblich, wie hoch der Anteil derer ist, die ihr angespartes Geld beziehen.
  • Die Kantone sind bereits daran, die Steuern für Pensionskassenbezüge zu senken. Der «Tages-Anzeiger» recherchierte kürzlich, dass die Kantone mit attraktiven Steuersätzen im Pensionskassenbereich um reiche Neupensionierte buhlen.
  • Auch Steuerberater dürften sich gegen eine Erhöhung wehren: Gerade vermögende Kunden und Kundinnen, die über die Pensionskasse Steuern sparen wollen, sind ein lukratives Klientel.
  • Fürs Alter vorsorgen? Das ist der eigentliche Zweck der zweiten und dritten Säule. Für Topverdiener sind die Vorsorgeeinrichtungen aber auch ein gutes Vehikel, um Steuern zu sparen. Wer sehr viel verdient, kann sehr viel Steuern sparen. Dies zeigen Zahlen, die die «SonntagsZeitung» kürzlich veröffentlicht hat. In Zug bezog etwa eine Person im Jahr 2022 7,5 Millionen Franken Alterskapital. Dafür bezahlte sie eine halbe Million Franken Steuern. Die ordentliche Versteuerung als Einkommen hätte dagegen bis zu 2 Millionen Franken gekostet.


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