Nationalrät*innen und Ständerät:innen gibts in Bern nicht. Das Gendersternchen und andere typografische Mittel, die für eine geschlechtergerechte Sprache verwendet werden, sind in der Bundesverwaltung tabu.
In einer Weisung, die die Bundeskanzlei vergangenes Jahr herausgegeben hat, wird der Gebrauch der Zeichen «aus sprachlichen, sprachpolitischen und rechtlichen Gründen» explizit verboten. Das Verbot gilt für alle Publikationen des Bundes, also beispielsweise das Abstimmungsbüchlein, Texte auf Webseiten, Berichte sowie Antworten des Bundesrats auf Vorstösse. Verwendet eine Parlamentarierin oder ein Parlamentarier das Gendersternchen, lässt es der Bund in der Übersetzung in die anderen Landessprachen weg.
Auch Unis erlauben Genderstern
SP-Nationalrätin Céline Widmer (43) will das nicht hinnehmen. Sie fordert, dass das Verbot gekippt wird. Der Genderstern-Bann sei «weder zeitgemäss, noch entspricht es dem Anspruch der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter», begründet die Zürcherin ihren Vorstoss, den mehrere Parteikolleginnen und -kollegen mitunterzeichnet haben.
Sie argumentiert, dass mit dem Genderstern – im Gegensatz zur blossen Nennung der weiblichen und männlichen Form – auch Menschen eingeschlossen werden, die sich nicht in die binäre Geschlechterordnung einteilen lassen, sich also weder als Mann noch als Frau definieren. Widmer verweist darauf, dass an Universitäten beispielsweise die Verwendung des Gendersterns empfehlen werde.
Ein politisches Statement?
Die Bundeskanzlei indes führt als Begründung für das Genderstern-Verbot an, dass man das Zeichen nicht aussprechen könne und es der Lesbarkeit eines Textes schade. Tatsächlich wird es rasch relativ kompliziert, wenn ein*e fleissige*r Beamt*in, die*der für das Verfassen eines Texts verantwortlich ist, plötzlich so schreibt. Zudem sei die Verwendung des Gendersterns und anderer Zeichen heute Ausdruck einer bestimmten gesellschaftspolitischen Haltung, die der Bund als neutrale Stelle nicht einnehmen will.
Widmer überzeugt das nicht. Aus ihrer Sicht ist die Verwendung des Gendersterns im Jahr 2022 kein politisches Statement, sondern eine Selbstverständlichkeit. «Es ist an der Zeit, dass auch in den Texten des Bundes eine Sprache verwendet wird, die Menschen aller Geschlechter einbezieht – also auch trans und non-binäre Menschen – und niemanden ausschliesst», findet die Politikerin. (lha)