Bürgerliche schnüren Päckli bei der Rentenreform
Kommt für die Frauen der AHV-Hammer?

Das Frauenrentenalter soll auf 65 Jahre steigen. Doch wie viel Geld fliesst an die Frauen via Renten zurück? Der Bundesrat will 700 Millionen jährlich. Die Bürgerlichen deutlich weniger. So stehen gar Varianten mit unter 300 Millionen Franken zur Diskussion.
Publiziert: 02.09.2020 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2021 um 11:27 Uhr
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Die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern ist gross.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Das macht den Menschen in der Schweiz so richtig Sorgen: dass ihnen im Alter zu wenig Geld aus der Rente bleibt. Diese Angst treibt drei Viertel der Bevölkerung um, wie eine Umfrage zeigt.

Besonders gross ist die Angst bei den Frauen. Nicht ohne Grund: Sie müssen oftmals mit weniger Rente auskommen als Männer. Laut Zahlen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) sind Frauenrenten im Durchschnitt um 37 Prozent tiefer als jene der Männer. Somit erhalten Frauen pro Jahr fast 20'000 Franken weniger.

Bürgerliche wollen Vorlage abspecken

Kein Wunder, ist die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre ein heisses Eisen. Eines, welches die bürgerlichen Parteien nun anpacken wollen. Und sie geben Gas: Am Donnerstag beugt sich die ständerätliche Sozialkommission über die neue AHV-Reform.

Der grosse Knackpunkt ist dabei, ob und wie das höhere Rentenalter ausgeglichen werden soll. Denn arbeiten die Frauen ein Jahr länger, spart die AHV-Kasse jährlich rund 1,2 Milliarden Franken. Ein Teil davon soll den Frauen wieder zugute kommen. SP-Sozialminister Alain Berset (48) denkt dabei an 700 Millionen Franken. So sollen die Frauenrenten bei einer Frühpensionierung weniger stark gekürzt werden als bisher. Und wer bis 65 arbeitet, soll eine bis zu 163 Franken höhere Monatsrente erhalten. Allerdings: Diese Ausgleichsmassnahmen sind befristet und gelten für neun Jahrgänge.

Den bürgerlichen Parteien ist das zu viel. Im Sommer machte die «NZZ» Pläne publik, wonach sich die Bürgerlichen auf gewisse Eckwerte geeinigt hätten – das Ausgleichsvolumen würde auf noch 400 bis 550 Millionen Franken reduziert. Das sorgte für einen Aufschrei der Empörung bei Linken und Gewerkschaften. Die SP schimpfte über das «bürgerliche AHV-Komplott».

Sogar nur 300 Millionen?

Doch jetzt könnte es noch dicker kommen. Die Ständeratskommission hat vom Bundesamt für Sozialversicherungen verschiedene Varianten rechnen lassen. Unter der Prämisse, dass die Übergangsfrist für Frauen sogar nur auf vier Jahrgänge reduziert wird. Am Bundesratsmodell gerechnet würden die Ausgleichsmassnahmen damit «unter 300 Millionen Franken» fallen, heisst es dazu.

Einen anderen Ansatz hat dem Vernehmen nach FDP-Ständerat Damian Müller (35, LU) angeregt. Frühpensionierten Frauen sollen die Renten zwar wie bei Berset weniger gekürzt werden, doch gleichzeitig will er einen grösseren Anreiz schaffen, dass die Frauen doch bis 65 arbeiten. Er denkt dabei an einen Rentenzuschlag für die Übergangsgeneration. Bei tieferen Einkommen würde der Zuschlag 150 Franken monatlich betragen, bei höheren Einkommen noch 50 Franken. Tiefere Einkommen wären trotz des Zuschlags auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Dieser Ausgleich schlägt mit 450 Millionen Franken pro Jahr zu Buche. Doch auch hier gilt der Ausgleich nur für vier Jahre.

«Wir müssen alles daran setzen, dass die Mehrwertsteuer höchstens um 0,3 Prozent erhöht werden muss», gibt SVP-Ständerat Alex Kuprecht (62, SZ) als Richtlinie vor. «Dass die Ausgleichsmassnahmen unter 300 Millionen fallen, ist ein Schreckensszenario – ich rechne mit einem Kompromiss zwischen 450 und 500 Millionen Franken jährlich für vier Jahrgänge.» Er ist zuversichtlich, dass der bürgerliche Schulterschluss diesmal funktioniert.

Die bürgerlichen Modelle bleiben damit weit hinter dem Berset-Vorschlag zurück. Während Berset insgesamt 3,3 Milliarden Franken für das höhere Frauenrentenalter aufwerfen will, sind es in den bürgerlichen Varianten 1,7 bis 2,5 Milliarden.

Linke bekämpft Abbaupläne

Doch auch die Linke bleibt nicht untätig und versucht mit eigenen Anträgen, das Ruder noch herumzureissen – mit Kompensationsvorschlägen teils deutlich über einer Milliarde Franken. Diese sind aber chancenlos.

Die Gewerkschaften stehen daher bereits Gewehr bei Fuss. «Wir werden eine Abbauvorlage auf dem Buckel der Frauen bekämpfen», sagt Gabriela Medici (35), Zentralsekretärin für Sozialversicherungen beim Gewerkschaftsbund. Denn: «Der Rentenrückstand bei den Frauen ist besonders gross, Anfang dieser Woche haben Männer bereits so viel Rente erhalten wie die Frauen im ganzen Jahr 2020.»

Ihr gehen bereits die Berset-Vorschläge zu weit. «Schon mit der vom Bundesrat vorgesehenen Erhöhung des Frauenrentenalters und den völlig unzureichenden Kompensationen würden die Frauen bis Ende des Jahrzehnts weitere 7 Milliarden Franken verlieren», sagt Medici: «Dass die Bürgerlichen mit ihrem Vorschlag das noch unterbieten, ist skandalös. Die Frauenrenten sind heute schon zu tief.»

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