Kolumne «Der Alte»
Tempo Teufel für die AHV

Beim Corona-Hilfspaket für die Wirtschaft gings plötzlich ganz schnell. Die Reform der AHV hingegen steckt seit 20 Jahren im Stau. Das muss sich ändern.
Publiziert: 21.04.2020 um 23:27 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2020 um 09:39 Uhr
Helmut Hubacher, ehemaliger SP-Chef.
Foto: Thomas Buchwalder
Helmut Hubacher

«Die Krise widerlegt all jene, die den Sozialstaat verteufelt haben.» Es ist kein Linker, der das feststellt, sondern Philipp Hildebrand, bis 2012 Direktionspräsident der Nationalbank. Seither ist er Vize-Chairman von Blackrock, dem grössten Finanzfonds der Welt.

In dieser schweren Zeit für Gesellschaft und Wirtschaft «können meine Freunde in den USA und Grossbritannien es kaum glauben, wie reibungslos und schnell bei uns alles funktioniert. Das Staatsverhältnis mit seinen soliden sozialen Netzen und Strukturen ist jetzt ein immenser Vorteil».

Bekenntnis zum Sozialstaat

Da würdigt ein ganz Grosser den Sozialstaat. Das müsste gewisse Politiker vom rechten politischen Ufer nachdenklich stimmen. Von Thomas Jordan, Nachfolger von Hildebrand in der Nationalbank, vermisse ich ein solches Bekenntnis zum Sozialstaat.

Es gibt in jeder Gesellschaft einen Prozentsatz X leistungsschwächerer Menschen, die sich in der globalisierten Arbeitswelt nicht zurechtfinden. Weil die einfachen, für sie noch machbaren Jobs weggefallen sind. Diese Menschen sind auf Sozialhilfe angewiesen. Die ewige Diskussion, ob es beim Sozialstaat nicht zu viel des Guten gibt, ist im Moment obsolet. Wir haben mit Corona grössere Probleme.

Bei der Finanzhilfe für die Wirtschaft geht es um höhere Summen. Auf einmal sind Betroffene auf den Sozialstaat angewiesen, die sich das nie im Leben vorstellen konnten.

20 Jahre Leerlauf sind zu viel

Themenwechsel. Am 2.2. 2000 erschien die Botschaft des Bundesrats für die 11. AHV-Revision. Verfasst noch von Bundesrätin Ruth Dreifuss. Die Revision steckt noch immer im politischen Stau. Die Bundesratsparteien fanden nie eine mehrheitsfähige Lösung. Die Bundesräte Pascal Couchepin und Didier Burkhalter wollten Renten kürzen und scheiterten. Alain Berset blieb auf der Strecke mit dem Vorschlag, Renten zu erhöhen. So kam es zu 20 Jahren Leerlauf.

In dieser langen Wartezeit schreibt die AHV nun rote Zahlen. Sie muss dringend saniert werden. Das grösste Sozialwerk der Schweiz darf nicht einfach rechts liegen gelassen bleiben. In der jetzigen Krise ist das Hilfspaket für die Wirtschaft im Tempo Teufel geschnürt worden. Das muss endlich auch für die AHV möglich sein.

Helmut Hubacher (93) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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