Budget-Krimi im Bundeshaus – bis zu 250 Millionen weniger
Hat die Entwicklungshilfe schon verloren?

Am Montag geht die grosse Budgetdebatte in Bern weiter. Noch hoffen Entwicklungshilfeorganisationen, dass die Ständeratsvariante mit Einsparungen über 30 Millionen obsiegt. Tatsächlich dürfte es aber anders kommen. Blick erklärt die Hintergründe.
Publiziert: 07.12.2024 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2024 um 12:45 Uhr
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Der Nationalrat will 250 Millionen Franken bei der Entwicklungszusammenarbeit sparen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Nationalrat will 250 Millionen bei Entwicklungshilfe kürzen, Ständerat debattiert Budget
  • Mitte-Partei könnte entscheidende Rolle bei Kompromissfindung spielen
  • Kompromiss könnte Kürzungen von etwa 100 Millionen Franken bedeuten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Vorweihnachtliche Freude kommt bei Schweizer Entwicklungshilfeorganisationen nicht auf. In Bern tobt die Budgetdebatte. Und für die Entwicklungszusammenarbeit sieht es düster aus: 250 Millionen Franken will der Nationalrat einsparen. Das hat er am Mittwoch beschlossen.

In Stein gemeisselt ist dieser Beschluss aber noch nicht. Denn ab Montag debattiert der Ständerat das Budget. Dort waren bisher deutlich tiefere Kürzungen bei der Entwicklungshilfe vorgesehen: 30 statt 250 Millionen! Dafür will der Rat im Asylwesen mehr sparen.

Die Mitte ist das Zünglein an der Waage

Allerdings dürfte diese «Minimalvariante» des Ständerates inzwischen kleinere Chancen haben. Derzeit sieht es nach einer Kompromisslösung aus. Auch diese würde die Entwicklungshilfe empfindlich treffen. Sie könnte Kürzungen in dreistelliger Millionenhöhe bedeuten. 

Dies sind die Hintergründe:

  • Weil National- und Ständerat unterschiedliche Vorstellungen haben, geht das Budget nun mehrmals zwischen den Räten hin und her. Einigen sich die Räte am Ende nicht, gilt automatisch jene Zahl, die weniger Ausgaben im Budget verursacht. Das heisst: Es wären die 250 Millionen Franken Kürzungen, die gelten würden. Der Nationalrat könnte letztlich also auch ohne Kompromiss seine Zahl durchdrücken, wenn er hart bliebe.
  • Möglich war die 250-Millionen-Kürzung im Nationalrat dank eines starken bürgerlichen Blocks: SVP, FDP und eine Mehrheit der Mitte sprachen sich für die Kürzung aus. Dies dürfte bei der Mitte auch taktisch gewesen sein: Ihr ging es in einer ersten Runde auch darum, 530 Millionen Franken Zusatzausgaben fürs Militär durchzubringen. Diese sind inzwischen definitiv gesichert. Am einfachsten möglich war dies, indem das Militär-Päckli integral mit den Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit durchgebracht wurde. Jetzt, wo das erreicht ist, bleibt mehr Spielraum zum Taktieren.
  • Tatsächlich liegt es nun auch in der Hand der Mitte-Partei, wie das Resultat ausfällt. Sie hat im Nationalrat mit 16 Stimmen für die harten Kürzungen über 250 Millionen gestimmt. 12 Nationalrätinnen und Nationalräte waren aber auch dagegen. Die Partei wird wohl auch bei künftigen Lösungen Mehrheitsmacherin sein.

Aktuell scheint es, als ob sich ein Kompromiss anbahnen könnte: Er gehe derzeit davon aus, dass man sich zwischen den Räten finden werde, sagt Pirmin Bischof (65). Der Solothurner ist Chef der einflussreichen Mitte-Gruppe im Ständerat. Ebenso tönt es bei Parteipräsident Gerhard Pfister (62). 

Grossmehrheitlich sei man dafür in der Fraktion, die 250 Millionen Franken wieder rückgängig zu machen, sagte der Zuger Nationalrat gegenüber Radio SRF. «Ich gehe davon aus, dass man sich ziemlich in der Mitte treffen wird bei 100 Millionen», nannte Pfister eine Zahl, die zwischen dem 30 Millionen-Sparvorschlag des Ständerates und den im Nationalrat vorgesehenen 250 Millionen Einsparungen liegt.

Hilfsorganisationen warnen vor gravierenden Folgen

Vergeblich gegen die Kürzungen des Nationalrats gekämpft hatten GLP, SP und Grüne. «Menschen werden sterben», warnte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (34, BE) diese Woche drastisch.

Bereits 30 Millionen Franken Einsparungen wären zu viel, sagt Andreas Missbach (58), der Geschäftsleiter von Alliance Sud. «Alles, was darüber hinaus geht, führt zu gravierenden Abstrichen bei Programmen und schlägt direkt durch.» Konkret hiesse dies: «Weniger Ausbildungen für Jugendliche, bedrohte Frauen, die kein Frauenhaus mehr haben, mehr Kinder, die hungrig ins Bett gehen.»

Die Hoffnungen ruhen denn auch nicht zuletzt auf der Mitte-Partei: «Wir hoffen, dass sich die Räte nicht für einen totalen Kahlschlag aussprechen», sagt Missbach. Denn Einschnitte stehen in den nächsten Jahren so oder so an: Bereits beschlossen ist, dass 1,5 Milliarden Franken für die Ukrainehilfe in den nächsten Jahren über das Entwicklungshilfebudget finanziert werden müssen.

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