Farblich sind sie ähnlich angezogen, als sie zum Streitgespräch bei Blick ankommen, SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (36) und FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (29). Das wär es denn aber schon gewesen punkto Gemeinsamkeiten. Die beiden haben ganz unterschiedliche Vorstellungen, was die bevorstehenden Renten-Abstimmungen angehen. Am 3. März entscheiden die Schweiz über die Initiative für eine 13. AHV-Rente und die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen.
Frau Meyer und Herr Silberschmidt, es geht den Rentnern im Moment so gut wie nie. Da steht die Forderung einer 13. AHV-Rente quer in der Landschaft.
Mattea Meyer: Die Menschen, die ich treffe, erzählen mir etwas anderes: Krankenkassenprämien und Mieten explodieren, Lebensmittelpreise steigen. Damit wird den Menschen eine ganze Monatsrente weggefressen, darum braucht es eine 13. AHV-Rente.
Andri Silberschmidt: Das heutige Sozialsystem stellt die Kaufkraft im Alter sicher. Dank der Ergänzungsleistungen (EL) kann jeder Mensch in der Schweiz in Würde alt werden. Wenn man schaut, welche Personengruppe am stärksten von finanziellen Sorgen betroffen ist, sind das vor allem Kinder und alleinerziehende Mütter und Väter. Wir sollten den Fokus darauf legen, wo der Handlungsbedarf am grössten ist.
Am 3. März kommt es zum Renten-Showdown an der Urne. Dann entscheidet das Stimmvolk gleich über zwei AHV-Initiativen: einerseits über die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Andererseits über die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen.
Die Volksinitiative der Gewerkschaften «für ein besseres Leben im Alter» verlangt die Einführung einer 13. AHV-Rente. Bei einem Ja gibt es zu den bisherigen zwölf Monatsrenten quasi einen 13. Monatslohn für Seniorinnen und Senioren hinzu.
Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter erhöhen. Zuerst soll es bis 2033 schrittweise von 65 auf 66 Jahre steigen und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt werden: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll es um 0,8 Monate rauf – auf 67, 68 oder mehr. Automatisch.
Details zu beiden Initiativen findest du hier.
Am 3. März kommt es zum Renten-Showdown an der Urne. Dann entscheidet das Stimmvolk gleich über zwei AHV-Initiativen: einerseits über die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Andererseits über die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen.
Die Volksinitiative der Gewerkschaften «für ein besseres Leben im Alter» verlangt die Einführung einer 13. AHV-Rente. Bei einem Ja gibt es zu den bisherigen zwölf Monatsrenten quasi einen 13. Monatslohn für Seniorinnen und Senioren hinzu.
Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter erhöhen. Zuerst soll es bis 2033 schrittweise von 65 auf 66 Jahre steigen und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt werden: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll es um 0,8 Monate rauf – auf 67, 68 oder mehr. Automatisch.
Details zu beiden Initiativen findest du hier.
Das Parlament hat aber entschieden, dass vielen Rentnern die EL gekürzt werden.
Silberschmidt: Man hat die Berechnungsgrundlage angepasst, sodass diejenigen, die sehr vermögend sind, keine Ergänzungsleistungen mehr erhalten. Diese Reform war unbestritten im Parlament. Nicht einmal Mattea Meyer war dagegen.
Meyer: Ich habe mich enthalten, weil die Revision auch Verbesserungen gebracht hat, etwa bei den Mietzinsmaxima. Fakt ist aber, dass man bei den EL 400 Millionen Franken einspart. Das geht auf Kosten der Bezügerinnen und Bezüger. Es gibt Menschen, die seit Anfang Jahr mehrere Hundert Franken weniger bekommen. Ohne die 13. AHV-Rente wird es in absehbarer Zeit keine besseren Renten geben.
Silberschmidt: Die AHV ist in den letzten Jahren selbst bei negativer Teuerung gestiegen. Die Kaufkraft der AHV hat laufend zugenommen. Irgendjemand muss die 13. AHV-Rente bezahlen. Egal wie, am Schluss sind es die Jüngeren, die dafür aufkommen. Das ist unsozial, weil die ältere Generation im Durchschnitt die vermögendste Generation ist.
Meyer: Jetzt Familien und Jüngere gegen Rentnerinnen und Rentner auszuspielen, ist daneben. Die AHV ist der kostengünstigste und effizienteste Weg, um zu guten Renten zu kommen. Davon profitieren auch Jüngere. Denn auch sie werden irgendwann einmal alt.
Statt einer 13. AHV-Rente unterstützt der Nationalrat einen Vorschlag der GLP, der eine Milliarde Franken für die ärmsten Rentner vorsieht.
Meyer: Das ist ein billiges Ablenkungsmanöver im Abstimmungskampf. Wenn es den Bürgerlichen wirklich darum gegangen wäre, Menschen mit tiefer Rente zu unterstützen, hätten sie die Möglichkeit gehabt, einen Gegenvorschlag zu machen. Ein solcher wurde in der Kommission abgelehnt.
Silberschmidt: Wir haben dem Bundesrat den Auftrag gegeben, zielgerichtet dort zu helfen, wo geholfen werden muss. Er muss aber eine Gegenfinanzierung finden. Wir können nicht einfach eine Milliarde mehr ausgeben. Euch Linken geht es nicht nur um tiefe Einkommen – ihr wollt 5 Milliarden Franken mehr Umverteilung zulasten der erwerbstätigen Bevölkerung.
Das passende Stichwort zur Frage, wie eine 13. AHV-Rente finanziert werden müsste.
Meyer: Die AHV wird von den Bürgerlichen systematisch schlechtgeredet – dabei steht sie mit aktuell 50 Milliarden Franken auf stabilen Beinen und schreibt in den nächsten Jahren Überschüsse. Bis 2030 wird sie eine rekordmässige Reserve in der Höhe von 67 Milliarden Franken anhäufen.
Silberschmidt: Entscheidend ist, ob die AHV langfristig mehr Geld ausgibt, als sie einnimmt. Der AHV fehlen bis ins Jahr 2050 100 Milliarden Franken. Schon in ein paar Jahren kippt die Rechnung ins Minus. Jetzt zu sagen, die AHV ist auf stabilen Beinen, halte ich für grobfahrlässig für die kommenden Generationen, die all die Schulden berappen müssen.
Meyer: Wichtig ist, dass die AHV solidarisch finanziert wird. Für die 13. AHV-Rente braucht es je 0,4 Lohnprozente von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ein Banker wie Sergio Ermotti (63) zahlt damit auf 1 Million Monatslohn etwa 4000 Franken zusätzlich pro Monat, ein Elektriker mit 6000 nur 24 Franken. Dafür bekommen später beide monatlich etwa 200 Franken mehr Rente. Millionäre brauchen die AHV tatsächlich nicht, aber die AHV die Millionäre. Ihr hingegen wollt, dass einfach alle länger arbeiten.
Silberschmidt: Diese Rechnung ist nur die halbe Wahrheit, denn sie verkennt, dass die AHV bereits heute mehr Rente verspricht, als die Finanzierung dafür sichergestellt ist. Um das bestehende System zusammen mit der 13. AHV Rente zu finanzieren, bräuchte es gemäss Bundesrat Mehrwertsteuersätze von 11,5 Prozent. Das würde die Kaufkraft des Mittelstands massiv schmälern.
Die Linke will die AHV über neue Zusatzeinnahmen finanzieren, die Renten-Initiative rein über ein höheres Rentenalter. Warum gönnen Sie den 65-Jährigen den hart verdienten Ruhestand nicht?
Silberschmidt: Ich gönne jedem den Ruhestand! Es gibt Leute, die körperlich nicht länger arbeiten können, da werden wir in der Umsetzung der Initiative eine Frührente ermöglichen. Aber für 80 Prozent der Bevölkerung ist es möglich, ein Jahr über 65 hinaus zu arbeiten. Das ist die bessere Lösung, als über Jahrzehnte hinweg immer mehr Abgaben zu bezahlen. Das ist ein sozialer Kompromiss!
Meyer: Wäre eure Idee in den 70er-Jahren eingeführt worden, müssten die Menschen heute bis 70 plus arbeiten. Die Frage ist doch, wer mit eurer Lösung länger arbeiten muss. Es sind jene, die sich eine Frühpensionierung nicht leisten können – die Verkäuferin, die Kita-Mitarbeiterin, der Pflegefachmann. Gutverdienende wie Banker hingegen hören früher auf, weil sie das Geld dafür haben.
Silberschmidt: Die Frühpensionierung wird auch für diese Leute teurer, wenn das Rentenalter steigt. Im Übrigen ist die Zahl der Frühpensionierungen rückläufig. Der Trend geht jetzt schon in die Richtung, dass viele Menschen über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten. Der Arbeitsmarkt ist parat für ältere Arbeitnehmende!
Die Leute können heute schon freiwillig länger arbeiten. Warum braucht es einen Zwang?
Silberschmidt: Weil wir in der AHV sonst auf ein 100-Milliarden-Loch zusteuern. Das ist dreimal mehr, als wir für Corona ausgegeben haben. Und viermal mehr, als uns die Neat gekostet hat. Wir können das wichtigste Sozialwerk der Schweiz nicht der Freiwilligkeit der Bevölkerung überlassen.
Meyer: Wer länger arbeiten will, soll dies tun. Es ist aber etwas komplett anderes, wenn jemand gezwungen wird, länger zu arbeiten.
Silberschmidt: Viele Länder um uns herum haben das Rentenalter bereits erhöht. Die sind ja nicht dumm. Wir in der Schweiz schiessen ein Eigengoal, wenn wir meinen, wir seien eine Insel der Glückseligkeit und könnten als Einzige mit 65 in Pension gehen. Dann werden wir den heutigen Wohlstand verlieren.
Meyer: Wenn man das effektive Rentenalter in den umliegenden Ländern anschaut, ist es tiefer als in der Schweiz! Und es gibt einige Länder mit einer 13. Rente. Es geht nicht darum, dass wir eine Insel der Glückseligkeit sind, sondern darum, dass die Menschen, die einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand der Schweiz geleistet haben, einen würdevollen Lebensabend ohne Existenzängste geniessen können.
Ein versöhnlicher Vorschlag zum Schluss: Beide stimmen am 3. März zweimal Ja. Deal?
Meyer:(lacht) Das bringe ich wirklich nicht über meine Lippen.
Silberschmidt: Langfristig – in ein paar Jahrzehnten – ist eine 13. AHV-Rente eine Option. Zuerst müssen wir das Finanzproblem aber über ein höheres Rentenalter lösen.