Sechsmal mehr Infizierte als vor zwei Monaten
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Der grosse Corona-Report:Sechsmal mehr Infizierte als vor zwei Monaten

BLICK macht den grossen Corona-Report
Sechsmal mehr Infizierte als vor zwei Monaten

Den Verlauf der Corona-Krise verfolgen wir vor allem über die Zahl der täglichen Neuinfektionen. Doch die sind unzuverlässig. BLICK hat darum auf die letzten Wochen zurückgeschaut – auf Fälle, Tests, Spitaleintritte und Intensiv-Patienten.
Publiziert: 14.08.2020 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2020 um 09:29 Uhr
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268 neue Corona-Fälle gab es am Freitag. Doch es ist nicht sinnvoll, die Tageszahlen zu Nennwert zu nehmen.
Foto: Image Broker
Sermîn Faki, Gianna Blum, Julia Kaiser, Daniel Ballmer

Jeden Tag, kurz nach 12 Uhr, pushen die Medienportale – auch BLICK – die Zahl der Corona-Neuinfektionen, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldet. Auch am Freitag, als 268 neue Fälle gemeldet wurden. Gebannt schaut das Land aufs Handy und denkt: «Oh, Mist!» oder «Zum Glück wieder weniger!». Die Zahl gilt uns als Richtschnur, um ein Gefühl für den Verlauf der Pandemie zu bekommen. Kein Wunder, sie ist eindeutig, klar und einfach zu verstehen. Oder?

Leider ist das nicht ganz so einfach. Denn die Zahl ist für sich allein recht unzuverlässig. Beispielsweise übers Wochenende. Lässt sich jemand am Samstag testen, kommt das Ergebnis oft erst am Montag. Bis die Labore es ans BAG weitergeleitet haben, kann es Dienstag werden. Immer wieder werden auch sonst Fälle nachgemeldet.

Um einen Trend zu erkennen, macht es deshalb mehr Sinn, die verlässlicheren Wochenzahlen zu vergleichen. BLICK hat das getan – und das Ergebnis ist nicht eben erfreulich.

«Pandemie nicht unter Kontrolle»

Seit dem 21. Juni gibt das BAG Wochenberichte heraus. Und seither haben sich die Neuinfektionen mehr als versechsfacht! Wurden vom 15. bis 21. Juni noch 170 laborbestätigte Corona-Fälle gemeldet, waren es vom 3. bis 9. August bereits 1093. In der Vorwoche sogar 1141.

Stefan Kuster (43), Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim BAG, rechnet damit, dass wir aktuell in dieser Höhe verharren. Bis Donnerstag gab es 906 Neuinfektionen. Der kontinuierliche Anstieg erfülle ihn mit einer «gewissen Besorgnis», so Kuster.

Regelrecht beunruhigt ist Infektiologe Andreas Cerny. «Der Anstieg zeigt für mich, dass die Pandemie nicht unter Kontrolle ist», sagt der Arzt zu BLICK. Er warnt: Wenn man jetzt nicht reagiere, sei die Nachverfolgung der Ansteckungswege nicht mehr möglich. Einzelne Kantone kämen jetzt schon an ihre Grenzen. «Wir haben das im März erlebt», so Cerny. «Wenn man die neuen Fälle nicht mehr rückverfolgen und Infektionsketten nicht unterbrechen kann, geht es mit den Fallzahlen schnell aufwärts.»

Mehr Tests, mehr Fälle?

Gesundheitsminister Alain Berset (48) hingegen wies am Mittwoch darauf hin, dass die Fallzahlen allein nicht viel aussagten. «Man muss die Anzahl Neuinfektionen auch in Relation zu den gemachten Tests setzen», betonte er. Da gebe es immer Schwankungen, etwa übers Wochenende.

In der Tat hängt die Anzahl «gefundener» Corona-Fälle auch davon ab, wie viel getestet wird. Werden jetzt also mehr Tests durchgeführt als Mitte Juni? Eben nicht! Die Anzahl Tests ist seit Mitte Juni sogar um 10'000 Stück pro Woche gesunken. Stattdessen ist die Positivitätsrate gestiegen. Sie gibt an, wie viele von allen Tests positiv ausfallen. Die Rate ist nun dreimal höher als Mitte Juni – sie stieg von 1,1 auf 3,3 Prozent. Im Moment liegt sie gar bei 4,1 Prozent, wie Kuster sagt.

Doch auch die Positivitätsrate muss man genau anschauen: Sie hängt entscheidend vom Testregime ab. Auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühling etwa wurden vorwiegend Menschen getestet, die klassische Corona-Symptome aufwiesen – Fieber, Husten, Atemnot. Die Positivitätsrate war bedeutend höher. Jetzt werden auch andere Leute getestet, etwa, wenn sie mit einem Infizierten Kontakt hatten. Wenn die Positivitätsrate nun steigt, kann das auch heissen: Es werden öfter die Richtigen getestet. Cerny würde am Testregime deshalb auch nichts ändern.

Wieder mehr Corona-Patienten in den Spitälern

Die Anzahl Infizierter ist zwar eine wichtige Kenngrösse, um den Verlauf der Pandemie zu verfolgen. Aber bei weitem nicht die einzige. Denn solange jemand das Virus zwar hat, aber nicht schwer erkrankt, reicht es aus, ihn zu isolieren, bis er niemanden mehr anstecken kann.

Was Corona im Frühling zu einer Herausforderung machte und Ausschlag für den Lockdown gab, war die Sorge ums Gesundheitssystem. Bei zu vielen Fällen wären die Spitäler schlicht zusammengebrochen. Vorsorglich hatten die Akademien der Wissenschaften Schweiz im März sogar Triage-Richtlinien herausgegeben: Über 85-jährige Corona-Patienten wären nicht mehr auf die Intensivstationen gebracht worden.

Zum Glück kam es nicht so weit. Doch die vorsorgliche Planung zeigt, dass es bei der Beherrschung der Pandemie auch darauf ankommt, Ressourcen für die Behandlung in den Spitälern bereitzuhalten.

Die Zahl der Corona-Patienten in den Spitälern steigt seit Wochen wieder an. Verzeichnete das BAG Mitte Juni noch 13 Corona-Spitaleintritte, waren es letzte Woche 32, davor sogar 49. Auch die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen ist von 26 auf 38 gestiegen.

Die Infizierten sind jetzt jünger

Grund zur Beunruhigung besteht aber noch nicht. Die Hospitalisationen seien für die Kantone gut zu bewältigen. «Die Spitäler sind auch auf einen weiteren Anstieg vorbereitet», gibt die Konferenz der Gesundheitsdirektoren Entwarnung.

Zumal ein grosser Anstieg derzeit nicht in Sicht ist. Weil sich jetzt andere Leute mit Corona infizieren als im Frühling – jüngere vor allem. So lag das mittlere Alter der Infizierten bis Ende Juni bei 52 Jahren, jetzt liegt es bei 33. Aus den BAG-Berichten geht hervor, dass vor allem der Anteil der unter 19-Jährigen gestiegen ist. Was eine gute Nachricht ist: Jüngere verkraften eine Infektion besser als ältere, wie Cerny sagt. Nichtsdestotrotz sind auch junge Menschen nicht vor Komplikationen gefeit und vor allem, sie können ältere Menschen anstecken.

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