Im Sternen in Bern-Bümpliz herrscht am Abstimmungssonntag das, wovor die Gegner des Covid-Gesetzes warnen: eine Zweiklassengesellschaft. Während im Säli ein Dutzend Mitglieder des Nein-Komitees verfolgen, wie die Abstimmungsergebnisse eintrudeln, stehen sich in der Gaststube die Journalistinnen und Journalisten auf die Füsse. Bei der Versammlung oben handle es sich um eine private Veranstaltung, erklärt Co-Kampagnenleiter Siegfried Hettegger (59). Zutritt für Medienschaffende verboten. So konnten die Gegner Zertifikats- und Maskenpflicht umgehen.
Eigentlich gab es für die Gegner ein Mehrgangmenü, doch davon bekommt Josef Ender (51) wenig zu sehen. Vor lauter Interviews kommt der Sprecher der Nein-Kampagne erst gegen 14.30 Uhr bei einer Kürbissuppe dazu, die Schlappe an der Urne zu verdauen. Die Niederlage ist diesmal noch etwas klarer als bei der ersten Abstimmung zum Covid-Gesetz im Juni. Nur Schwyz und Appenzell Innerrhoden sagen diesmal noch Nein.
«Wohl oder übel» will man Ergebnis akzeptieren
Die Abstimmung bildet das Ende eines besonders heftigen Abstimmungskampfs – mit Demonstrationen, Manipulationsvorwürfen, ja gar Morddrohungen. Doch so laut der Abstimmungskampf war, so leise nehmen die Massnahmengegner am Sonntag ihre Niederlage hin. «Wohl oder übel» werde man das Ergebnis akzeptieren, so Ender. Auf dem Bundesplatz versammeln sich später nur knapp 100 Impfkritiker. Sie ziehen, begleitet von der Polizei, im Schneegestöber Richtung Bahnhof.
Verschwunden von der Bildfläche sind die Covid-Gegner damit nicht. Am Dienstag wollen sie über ihre Pläne informieren. Laut der «SonntagsZeitung» haben sich die «Freunde der Verfassung» und weitere Organisationen zu einer Bewegung namens «Aufrecht Schweiz» zusammengeschlossen. Diese will bei kantonalen Wahlen antreten – und sich so den Weg für die nationalen Wahlen 2023 ebnen.
Keine Partei, aber eine Bewegung
Es ist fraglich, ob es ihnen gelingt, bis zu den eidgenössischen Wahlen geeinter Kraft zu bleiben. Deutlich wird dies, wenn man die Kritiker fragt, wie es politisch weitergehen soll. Ender erklärt, ein nächstes Projekt sei das Referendum gegen die neue Organspende-Lösung. Werner Boxler (63), Co-Präsident der Verfassungsfreunde, spricht wolkig davon, man müsse «zurück zur Natur» finden: «Wir suchen eine neue Art und Weise, wie man zusammenleben kann.»
Den Massnahmengegnern ist selbst noch nicht klar, wohin es mit ihnen gehen soll. Nur eines ist klar: Eine Partei wollen sie auf keinen Fall werden. «Dann würden wir einen Teil der Mitglieder gleich wieder verlieren», so Boxler. Das kann ihnen aber auch als politische Bewegung passieren.