Wer vermag die Crypto-Affäre noch zu dechiffrieren? Laien kommt sie längst viel zu kryptisch vor.
Das Chaos begann im Februar. Ein Medienverbund, zu dem auch SRF gehört, legte neue Details darüber vor, wie eine Firma aus Zug im Kalten Krieg undichte Verschlüsselungsgeräte exportiert hatte – während sie heimlich von CIA und BND kontrolliert wurde.
Heute sind alle Seiten verärgert: Bundesrat, Parlament, Bundesanwaltschaft und die betroffenen Unternehmer.
Jetzt ist auch noch das Bundesgericht eingeschaltet worden. Hintergrund: Nach einer Strafanzeige liess die Bundesanwaltschaft am 6. März bei Crypto International AG, einer Nachfolgerin jener ominösen Crypto AG, gut 400 Chiffriergeräte beschlagnahmen – darauf begann ein juristisches Tauziehen: Die Firma liess das Material zunächst versiegeln, worauf das Zwangsmassnahmengericht am 11. August die Entsiegelung bewilligte.
Dagegen rekurrierten die schwedischen Besitzer von Crypto International in Lausanne, wie die Bundesanwaltschaft gegenüber SonntagsBlick bestätigt: «Dieser Entscheid ist nunmehr auf Beschwerde der betroffenen Firmen hin beim Bundesgericht zur Überprüfung hängig.»
Bemerkenswerter Slalomkurs
Die Anzeige gegen Unbekannt wegen Verstosses gegen das Exportkontrollrecht, die das Verfahren ins Rollen brachte, war am 25. Februar vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eingereicht worden. Worauf zwischen der parlamentarischen Geschäftsprüfungsdelegation (GPdel) und dem verantwortlichen Bundesrat Guy Parmelin (61) ein Streit entbrannt ist, der anlässlich des aktuellen GPDel-Untersuchungsberichts seinen Höhepunkt findet.
Die Aufseher werfen dem Wirtschaftsminister vor, das ihm unterstellte Seco habe die Anzeige ohne rechtliche Grundlage eingereicht – und rekonstruieren einen bemerkenswerten Slalomkurs im Vorfeld des verordneten Exportstopps, welcher der Crypto später das Genick brechen sollte.
Am 3. Dezember 2019 hatte Parmelins Departement WBF der Crypto International AG eine Generalausfuhrbewilligung erteilt. Die Medien sassen ihm bereits im Nacken, als Parmelin am 19. Dezember plötzlich über einen beabsichtigten Exportstopp informierte. Dann, am 12. Juni, beantragte das WBF grünes Licht zum Export von 15 einzelnen Verschlüsselungsgeräten. Eine Woche später beantragte dasselbe Departement auf einmal, diese Ausfuhrgesuche auszusetzen.
Die Folgen sind bekannt: Eine liquidierte Firma, 80 entlassene Mitarbeiter – und diplomatische Verstimmungen mit Schweden (SonntagsBlick berichtete). Im Parlament kursieren Attribute wie «Zickzack-Parmelin» oder «Management by Strafanzeige», eine Anspielung auf Parmelins Zeit als VBS-Vorsteher, in der er 2017 eine Anzeige gegen Divisionär Andreas Stettbacher verantwortete, von der nichts hängen blieb.
Wird der Fall jemals entschlüsselt?
In Parmelins Departement WBF tönt es indes anders: Alle Vorwürfe der GPDel habe man entkräftet, dies sei aber nicht in den Bericht eingeflossen; die Strafanzeige habe man von Amts wegen einreichen müssen. Kurz: Der Unmut gegen die von SVP-Nationalrat Alfred Heer (59) präsidierte Aufsichtsdelegation ist gross.
Aber auch auf den inzwischen abgetretenen Bundesanwalt Michael Lauber (54) ist man nicht gut zu sprechen. Laubers Aussage gegenüber der GPDel, er habe vor einer Strafanzeige abgeraten, kommt im WBF schlecht an.
Parmelins Sprecher Urs Wiedmer will die Sache nicht kommentieren und verweist auf Vizekanzler André Simonazzi. Er sagt: «Der Bundesrat wird sich zum Inhalt des Berichts im Rahmen seiner Stellungnahme äussern.»
Ob dieser verwickelte Fall jemals vollständig entschlüsselt wird?