Bertand Piccard will wieder die Welt umrunden
«Mein Wasserstoff-Flugzeug soll eine Botschaft vermitteln»

Bertrand Piccard will 2028 mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug nonstop um die Welt fliegen. Er sieht darin einen «Aufruf zum Handeln» angesichts der Klimakrise.
Publiziert: 11.02.2024 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2024 um 09:28 Uhr
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Solarpionier Bertrand Piccard will es nochmals wissen: Der Schweizer wird 2028 wieder um die Welt jetten – diesmal mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug und in neun Tagen.
Foto: KEYSTONE/DPA/Jonas Walzberg
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Amit Juillard

Vor sieben Jahren umrundete Bertrand Piccard (65) mit einem solarbetriebenen Flugzeug die Welt. Die Reise dauerte mehr als ein Jahr, Piccard musste 16 Zwischenstopps einlegen.

Nun will es der Waadtländer noch einmal wissen. Bei seinen neuen Vorhaben «Climate Impulse» will er 2028 abermals nonstop um die Welt jetten. Diesmal mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug. In neun Tagen! Im Blick-Interview erzählt Piccard, was ihn antreibt.

Bertrand Piccard, am 1. März 2023 haben Sie das Pensionsalter erreicht. Jetzt wollen Sie noch einmal ein Mammutprojekt starten. Woher nehmen Sie Ihre Energie?
Bertrand Piccard:
Aus der Frustration darüber, wie schlecht die Welt funktioniert, obwohl sie viel besser funktionieren könnte. Ich sehe Menschen, die glauben, dass es keine Zukunft gibt. Der beste Weg, diese Öko-Depression zu bekämpfen, ist zu zeigen, dass Handeln möglich ist. Hoffnung zurückgeben. Das ist etwas, wofür man sich niemals zur Ruhe setzen sollte.

Was sind die grössten Probleme?
Ein grosser Teil des heutigen Problems ist die Verschwendung. Wir verlieren Wärme, anstatt sie zurückzugewinnen. Wir verlieren Abfall, anstatt ihn wiederzuverwenden. Verbrennungsmotoren haben einen katastrophalen Wirkungsgrad, Häuser sind schlecht isoliert, wir heizen mit Öl statt mit Wärmepumpen. Wir haben eine lineare Wirtschaft statt einer Kreislaufwirtschaft.

Welche Lösungen sehen Sie?
Wir müssen das Narrativ ändern. Die Lösungen liegen da, wir sollten darum über Modernisierung sprechen. Wenn man unsere Welt modernisiert, wenn man sie effizienter macht, dann ist die Dekarbonisierung die logische Konsequenz dieser Modernisierung.

Bertrand Piccard persönlich

Bertrand Piccard (65) ist Psychiater und Forscher, er stammt aus der berühmten Forscherdynastie der Piccards. Ihm gelang 1999 die erste Nonstop-Weltumrundung in einem Ballon. Später flog er erneut um den Globus – dieses Mal in einem Solarflugzeug. Das Projekt trug den Namen «Solar Impulse», wonach auch die heutige Stiftung Piccards benannt ist. Piccard ist verheiratet und Vater dreier Töchter.

Bertrand Piccard (65) ist Psychiater und Forscher, er stammt aus der berühmten Forscherdynastie der Piccards. Ihm gelang 1999 die erste Nonstop-Weltumrundung in einem Ballon. Später flog er erneut um den Globus – dieses Mal in einem Solarflugzeug. Das Projekt trug den Namen «Solar Impulse», wonach auch die heutige Stiftung Piccards benannt ist. Piccard ist verheiratet und Vater dreier Töchter.

Warum gelingt das nicht?
Weil es eine grosse Kluft gibt zwischen der Industrie, die glaubt, dass Umweltschutz zu teuer ist und bekämpft werden muss. Und dem Umweltschutz, der zwar eine Botschaft hat, die aber nicht attraktiv genug ist.

Hier wollen Sie mit ihrem neuen Projekt ansetzen. Bei Ihrer Weltumrundung vor sieben Jahren haben Sie auf Solarenergie gesetzt. Jetzt auf Wasserstoff. Warum?
Ich habe nie alles auf Solarenergie gesetzt. Ich wollte immer alle sauberen Technologien und die Energieeffizienz fördern. Heute geht es um Wasserstoff. Und wie wollen wir Wasserstoff produzieren? Mit Sonnen- und Windenergie.

Es gibt zwei Möglichkeiten, Wasserstoff als Energieträger zu nutzen: entweder direkt als Treibstoff – ähnlich wie Kerosin. Oder über Brennstoffzellen.
Verbrennt man Wasserstoff in einem Verbrennungsmotor, hat man einen besseren Wirkungsgrad als mit Benzin. Aber man stösst auch stark umweltschädliche Stickstoffoxide aus.

Sie wählen einen anderen Weg?
Einen ganz sauberen Weg. Der Wasserstoff wird durch eine sogenannte Brennstoffzelle geleitet. Dabei wird in Membranen aus Wasserstoff und Sauerstoff wieder Wasser und damit Strom erzeugt. Strom, der in einen Elektromotor eingespeist wird. Auch wenn der Wirkungsgrad nicht perfekt ist: Es ist eine Möglichkeit, Strom für Situationen zu speichern, in denen Batterien zu schwer wären.

Die Luftfahrt interessiert sich für Ihr Vorhaben. Unter anderem Airbus ist am Projekt beteiligt. Welchen Fortschritt wird Ihr Projekt bringen?
Mein Wasserstoff-Flugzeug wird nicht die Welt retten. Es soll eine Botschaft vermitteln. Und zeigen, dass es möglich ist, aus der Stagnation auszubrechen und Pioniergeist zu zeigen. Es ist ein Aufruf zum Handeln.

Was sind die nächsten Schritte bis zum Start 2028?
Wir haben eine dreijährige Designphase hinter uns. Nun müssen wir das Flugzeug bauen. Wir arbeiten dafür mit dem Segler Raphaël Dinelli zusammen, einem Ingenieur für Verbundwerkstoffe, der die Formen für den Rumpf, das Cockpit usw. herstellt. Wir hoffen, Anfang 2026 mit Flugtests beginnen zu können.

Sie wollen zu zweit in einem kleinen Flugzeug in neun Tagen nonstop um die Welt fliegen. Ein bisschen hat Ihnen der Adrenalinkick schon gefehlt, oder?
Ja, es ist sieben Jahre her, dass ich mit Solar Impulse gelandet bin, und ich finde es spannend, ein sinnvolles Projekt wieder aufleben zu lassen.

Welche Gefahren lauern?
Ich habe keine Angst, in einem sauberen Flugzeug zu fliegen. Wenn man sich auf ein neuntägiges Abenteuer begibt, hat man Vertrauen in seine Ausrüstung. Was mir hingegen wirklich Angst macht: In einer Welt zu leben, die eine Million Tonnen Öl pro Stunde verbraucht.

Trotzdem: Herausforderungen blieben.
Wir werden neun Tage mit unserem flüssigen Treibstoff fliegen, den wir bei -253 Grad Celsius halten müssen. Das ist technisch die grösste Herausforderung. Etwas, das noch nie gemacht wurde. Und gerade weil es noch nie gemacht wurde, müssen wir es versuchen. Sonst wird es immer unmöglich bleiben.

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