Vor zehn Tagen hat Bundesrat Alain Berset (49) seinen Vorschlag für den Weg aus dem Corona-Regime präsentiert. In drei Phasen soll es bis in den Herbst wieder zurück in die Normalität gehen:
- 1. Die Schutzphase soll so lange dauern, bis alle Risikogruppen vollständig geimpft sind, voraussichtlich Ende Mai. Weitere Öffnungen sind bis dann nicht geplant.
- 2. Die Stabilisierungsphase soll solange dauern, bis die gesamte impfwillige erwachsene Bevölkerung vollständig geimpft ist, das wird wohl Ende Juli der Fall sein. Mögliche Öffnungen sind das Ende der Home-Office-Pflicht und Kapazitätserweiterungen im Detailhandel, bei sehr guter epidemiologischer Lage sollen gar die Restaurants wieder uneingeschränkt öffnen dürfen.
- 3. Die Normalisierungsphase wird eingeläutet, sobald die gesamte erwachsene Bevölkerung Zugang zu einer vollständigen Impfung hatte. Dann sollen die meisten Massnahmen des Corona-Regimes beendet werden. Auch Basismassnahmen wie das Maskentragen sollen schrittweise abgebaut werden. Allfällige Verschärfungen sollen nur noch Menschen betreffen, die sich nicht haben impfen lassen.
Gesundheitsdirektoren sind kritisch
Den Gesundheitsdirektoren der Kantone geht das zu schnell. Zwar finden sie das 3-Phasen-Modell generell gut. In einer Stellungnahme zuhanden des Bundesrats treten sie aber dennoch auf die Bremse.
So soll für den Übergang in die Phase 3 die Impfrate besser berücksichtigt werden. «Es gilt zu beachten, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung ungeimpft bleiben wird und damit das Risiko besteht, dass zum Beispiel bei einer Mutation des Virus die nicht geimpften Personen besonders gefährdet sein könnten», schreibt der Vorstand der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) um Präsident Lukas Engelberger (45). Dabei denkt er vor allem an Kinder und Jugendliche.
Richtwerte sollen eingehalten werden
Zudem mahnen die Gesundheitsdirektoren einen sorgsameren Umgang mit den vom Bundesrat definierten Richtwerten an. Zur Erinnerung: In seinem 3-Phasen-Modell hat der Bundesrat Öffnungen und Verschärfungen von Richtwerten abhängig gemacht. Die Gesundheitsdirektoren fordern nun, dass insbesondere keine Öffnungen vollzogen werden sollten, wenn der überwiegende Teil der Richtwerte nicht erfüllt ist. «Sonst verlieren die Werte an Relevanz sowie die Entscheide und das ganze Modell an Glaubwürdigkeit», schreiben sie.
Der Bundesrat hat Richtwerte für die Schutzphase definiert. Verschärfungen kommen bei:
- 14-Tages-Inzidenz von 450 Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner
- 120 Hospitalisierungen im 7-Tage-Schnitt
- 300 belegte Betten auf den Intensivstationen durch Covid-Patienten
- R-Wert: 1,15
Der Bundesrat hat auch Richtwerte für die Stabilisierungsphase definiert. Verschärfungen kommen bei:
- 14-Tages-Inzidenz von 600 Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner
- 120 Hospitalisierungen im 7-Tage-Schnitt
- 300 belegte Betten auf den Intensivstationen durch Covid-Patienten
- R-Wert: 1,15
Geöffnet werden kann, wenn die Fallzahlen, die Zahl der Spitaleinweisungen sowie die Belegung der Intensivbetten rückläufig oder stabil sind.
Der Bundesrat hat Richtwerte für die Schutzphase definiert. Verschärfungen kommen bei:
- 14-Tages-Inzidenz von 450 Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner
- 120 Hospitalisierungen im 7-Tage-Schnitt
- 300 belegte Betten auf den Intensivstationen durch Covid-Patienten
- R-Wert: 1,15
Der Bundesrat hat auch Richtwerte für die Stabilisierungsphase definiert. Verschärfungen kommen bei:
- 14-Tages-Inzidenz von 600 Neuansteckungen pro 100'000 Einwohner
- 120 Hospitalisierungen im 7-Tage-Schnitt
- 300 belegte Betten auf den Intensivstationen durch Covid-Patienten
- R-Wert: 1,15
Geöffnet werden kann, wenn die Fallzahlen, die Zahl der Spitaleinweisungen sowie die Belegung der Intensivbetten rückläufig oder stabil sind.
Und sie finden die vom Bundesrat angesetzten Richtwerte für Verschärfungen zu hoch angesetzt, insbesondere jenen der Inzidenz. «Das Risiko einer Überlastung des Gesundheitswesens kann auch bei tieferen Inzidenzen oder tieferer Reproduktionszahl nicht ausgeschlossen werden», schreiben sie.
Ohnehin wollen die Gesundheitsdirektoren, dass der Bund in allen Phasen nach Öffnungen oder Verschärfungen genug Zeit für die Beurteilung der Lage einplant, um die Konsequenzen auf das Infektionsgeschehen zu beobachten. Und sie wollen, dass der Bundesrat klar und deutlich sagt, dass in allen Phasen auch eine Abkehr von den geplanten Öffnungen möglich ist. Insbesondere die Entwicklung oder das Eintreffen von Virusvarianten könnten wieder Einschränkungen für die Gesamtbevölkerung nötig machen, sagen sie.
Kritik an selektiven Impf-Freiheiten
Nicht zuletzt kritisiert die GDK auch die Ungleichbehandlung von Geimpften und Nicht-Geimpften. Denn da ein Teil der Bevölkerung ungeimpft bleiben wird – aus Altersgründen, aus gesundheitlichen Gründen oder aus Überzeugung –, könne das Virus weiter zirkulieren. «Weder der geimpften noch der ungeimpften Bevölkerung ist gedient, wenn grosszügige Öffnungen beschlossen werden, die Gesamtzahl der geimpften Personen jedoch zu tief ist, um hohe Infektionszahlen und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern.»
Der Vorschlag, bei einer Durchimpfungsrate der erwachsenen Bevölkerung von 40 bis 50 Prozent Geimpften, Genesenen und negativ getesteten Personen Zugang zu bestimmten Aktivitäten zu gewähren, werde ausserdem die Testkapazitäten vor Herausforderungen stellen.