Eidgenossenschaft kauft sein Archiv
Star-Autor Bärfuss bekam 350'000 Franken Steuergeld

Regelmässig kauft der Bund Archive bedeutender Schweizer Autoren. 350'000 Franken erhielt kürzlich Lukas Bärfuss, einer der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller. Sagt der Wert eines Archivs etwas über die Bedeutung eines Autors aus?
Publiziert: 16:43 Uhr
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Aktualisiert: vor 33 Minuten
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Lukas Bärfuss ist einer der renommiertesten Schriftsteller der Schweiz. Er erhielt von der Nationalbibliothek eine stattliche Summe für sein Archiv.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

  • Nationalbibliothek kauf Archiv von Lukas Bärfuss für 350'000 Franken
  • Bündner Schriftstellerin Leta Semadeni erhielt für ihr Archiv deutlich weniger
  • Nationalbibliothek hat jährlich 500'000 Franken für Ankäufe zur Verfügung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Er gehört zu den bekanntesten Autoren hierzulande. Und er geht mit der Schweiz auch mal hart ins Gericht: Star-Schriftsteller Lukas Bärfuss (52). 2015 sorgte er für Wirbel, als er in einem Essay in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sein Land anklagte. Titel des Rundumschlags: «Die Schweiz ist des Wahnsinns».

Nachtragend verhält sich die offizielle Schweiz deshalb nicht, im Gegenteil: Sie zeigt viel Wertschätzung für das Werk des gebürtigen Thuners, der auch schon mit dem renommierten Büchner-Preis ausgezeichnet worden ist.

Bärfuss erhielt ein Vielfaches von Bündner Kollegin

2023 kam es zum Deal zwischen der Schweiz und Bärfuss. Die Nationalbibliothek kaufte – das wurde damals freudig verkündet – das Archiv des Schriftstellers. Daten, die Blick vorliegen, zeigen nun erstmals, wie viel der Autor der Schweiz wert ist: 350’000 Franken erhielt Bärfuss von der Eidgenossenschaft für seine bisherigen und künftigen Dokumente.

Das ist ein vergleichsweise stolzer Beitrag: Bärfuss' Bündner Schriftstellerkollegin Leta Semadeni (80) bekam 2022 für ihr Archiv 60’000 Franken.

Autoren sind finanziell nicht immer auf Rosen gebettet. Dass der Verkauf des Archivs einen willkommenen Zustupf bringen kann, bekannte schon Schriftsteller Paul Nizon (94). «Das markanteste Einkommen aus meiner freien Schriftsteller-Existenz stammt aus dem Verkauf meiner Papiere und Unterlagen», sagte er einst der «NZZ am Sonntag». Nur dank der Gelder der Eidgenossenschaft habe er sich seine Wohnung in Paris kaufen können.

Ein wenig stolz zeigte sich Nizon, dass er dem Staat offenbar mehr wert war als sein Schriftstellerkollege Otto F. Walter (1928–1994).

Es gab zwei unabhängige Gutachten

Doch wie wird eigentlich bestimmt, wie viel Geld für ein Autoren-Archiv fliesst? «Diese Summe basiert auf dem Vergleich mit anderen Vorlässen der Sammlung und auf zwei unabhängigen Schätzungen der Dokumente», schreibt die Nationalbibliothek auf Anfrage von Blick. Im internationalen Vergleich seien die Ankaufspreise moderat.

500'000 Franken hat die Nationalbibliothek jährlich für Ankäufe zur Verfügung, damit kauft sie üblicherweise «ein halbes Dutzend Vor- und Nachlässe». Vor einem Ankauf schauen sich Experten die Bestände an und erstellen Gutachten zum Wert. Dabei nehme international der Wert solcher Bestände stark zu, heisst es.

Dürrenmatts teures Geschenk

Dem Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) ist es zu verdanken, dass es innerhalb der Nationalbibliothek das Schweizerische Literaturarchiv gibt: Er schenkte seinen Nachlass der Eidgenossenschaft. Dafür aber musste der Staat zugestehen, dass er künftig das Erbe anderer Schriftsteller sammelt. Langfristig war Dürrenmatts Geschenk für die Schweiz somit nicht gratis: Pro Jahr kostet der Betrieb 2,3 Millionen Franken.

Das Archiv von Bärfuss ergänze «die Sammlung der Schweizer Literaturen um einen repräsentativen Gegenwartsautor», heisst es bei der Nationalbibliothek. Weil es bereits ausgezeichnet geordnet sei, fielen auch nicht viele Erschliessungsarbeiten an.

Für Bärfuss ist es eine «grosse Erleichterung»

Und Bärfuss selbst? Hält er die 350’000 Franken, die er für sein Archiv erhält, für angemessen? Er sei sich nicht sicher, was man unter «angemessen» verstehe, teilt er auf Anfrage mit. Aber das Geld habe bei der Übergabe an das Literaturarchiv eine untergeordnete Rolle gespielt, «sonst hätte ich eine andere Möglichkeit gewählt».

Entscheidend gewesen seien «unter anderem die Integrität, die Vollständigkeit und der Schutz des Archivs, der ungehinderte Zugang der Forschung, der Verbleib in der öffentlichen Hand und in der Schweiz und die zeitige Regelung des Erbes», zählt Bärfuss auf. Er spricht von «einer grossen Erleichterung, das Archiv in professionellen Händen zu wissen». Auch für ihn bleibe das Archiv jederzeit und vollständig zugänglich.

Je nach Autor gibt der Staat unterschiedlich viel Geld aus. Dies führt indirekt zu einer «Messbarkeit» des eigenen Werts. Wie geht Bärfuss damit um? «Der Wert eines Archivs und die Bedeutung eines literarischen Werks sind zwei verschiedene Dinge», sagt er. «Vom einen auf das andere zu schliessen, ist unzulässig, daraus gar eine ‹Messbarkeit› abzuleiten, erscheint mir abwegig.»

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