Eine Biobanane und ein Brötli für 1.15 Franken: Minibeträge, die der «Kassensturz» in Spesenbelegen der Berner Kantonsregierung fand, wurden zum Aufregerthema des gerade begonnenen Jahres. Ein bestens bezahlter Regierungsrat, der sogar das Znüni auf Kosten der Steuerzahlenden abrechnet? Die Empörung in Kommentarspalten und sozialen Medien ist gross – die Häme ebenso.
Im Zentrum des Shitstorms steht Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP), der sich für die Banane 20 Rappen auszahlen liess. Während die Regierungsräte diese Woche auf Tauchstation gingen, versuchte Kommunikationschef Reto Wüthrich am Tag nach der SRF-Sendung den Eindruck zu entkräften, die Magistraten seien Rappenspalter: «Es gibt kein Regierungsmitglied, das Kleinstbeträge als Spesen abrechnet – erst recht nicht systematisch», liess er verlauten.
Einzelfälle wurden herausgepickt
Und ging sogleich zum Gegenangriff über: Der «Kassensturz» habe aus Hunderten Abrechnungen zwei Einzelfälle herausgepickt, die fünf Jahre zurückliegen. Doch der Schaden war längst angerichtet: Die Berner Spesenaffäre ging als «Bananen-Gate» in die nationale Skandalchronik ein.
Die Spesenbelege von 2018 bis 2021, um die es geht, liegen auch Blick vor. Darin sind tatsächlich keine weiteren Extremfälle zu finden. Sie zeigen aber, dass auch sonst ab und an kleinere Beträge abgerechnet wurden, obschon die Berner Regierungsmitglieder zusätzlich zu ihrem Lohn von 280'000 Franken eine Spesenpauschale von 8'000 Franken kassieren.
So wurden etwa Sandwiches für 4.60 Franken, ein Parkticket für 20 oder ein Bilderbuch für 15.90 Franken zur Erstattung eingereicht – ebenfalls vor langer Zeit. Alles sei rechtens, hatte der Kanton zunächst auf die SRF-Recherche reagiert, später entschuldigte sich Sicherheitsdirektor Müller dafür, dass 2018 zwei Brezeln und 2019 eine Banane «falsch verbucht» worden seien.
Finanzkontrolle hatte schon vor Spesen gewarnt
Nun zeigen Recherchen von Blick, dass die Finanzkontrolle die Berner Kantonsregierung bereits vor Jahren davor gewarnt hat, wie gefährlich ein unklarer Umgang mit Steuergeldern im Zusammenhang mit Spesen für das Ansehen der Regierung sein könnte.
Thomas Remund, Chef der Finanzkontrolle, bestätigt auf Anfrage: «Wir haben versucht, zu sensibilisieren, haben aufgezeigt, dass ohne klare Spielregeln ein grosses Risiko für Reputationsschäden besteht.»
Die Finanzkontrolle prüft den rechtmässigen Einsatz von Steuergeldern im zwölf Milliarden-Haushalt des Kantons. Den Regierungsmitgliedern aber bei jedem Pausenbrötchen auf die Finger zu schauen, wäre Verhältnisblödsinn. Die Regierenden kontrollieren und bewilligen ihre Auslagen grundsätzlich selbst. Laut Regierungssprecher Wüthrich habe die Kontrollbehörde jedoch zu prüfen, ob die Gesetze eingehalten werden. Die Finanzkontrolle schaut sich die Regierungsspesen alle paar Jahre an – zuletzt 2019.
Bereits 2019 klare Richtlinien gefordert
Bis jetzt war nicht bekannt, dass diese Prüfung der Kantonsregierung bereits damals einen Rüffel der Kontrollstelle einbrachte. Zwar spielten dabei weder die Banane noch das Brötchen eine Rolle. Laut Remund forderte die Finanzkontrolle damals jedoch ausdrücklich klare Vorgaben, welche Beträge die Magistraten nebst der Spesenpauschale geltend machen dürfen.
«Bisher könnten praktisch alle Ausgaben, die den Anschein machen, dass sie im Zusammenhang mit dem Amt stehen, rechtmässig abgerechnet werden, selbst Kleinstbeträge», kritisiert Remund.
Vom Prüfbericht des Jahres 2019 hatte selbst die Geschäftsprüfungskommission des Kantonsparlaments bis heute keine Kenntnis. Die Regierung will ihn auf Anfrage von Blick nicht herausgeben. Sprecher Wüthrich verweist auf das Gesetz, wonach Beanstandungen durch die Finanzkontrolle nicht öffentlich seien. Auch die regierungsrätliche Antwort auf die Kritik der Finanzkontrolle bleibt deshalb geheim.
Spesen seit 2021 geregelt
Wüthrich verweist darauf, dass der Regierungsrat die Spesenverordnung 2021 angepasst habe. Seitdem ist geregelt, welche Spesen mit der Pauschale abgegolten sind und welche einzeln abgerechnet werden können.
Nutzt ein Regierungsmitglied das private Auto für dienstliche Zwecke, fällt das unter die pauschale Regelung. Das gilt auch für Bekleidung und «sonstige Kleinauslagen» wie «Schliessfächer, Trinkgelder oder Kleinspenden». Einzeln abrechnen dürfen Regierungsmitglieder hingegen Verpflegungs-, Übernachtungs- und Fahrkosten.
Die Kritik der Finanzkontrolle ist damit keineswegs gegenstandslos. Die Forderungen seien nicht erfüllt, betont Chefkontrolleur Remund: «Es fehlt nach wie vor ein Kostenrahmen für Einzelspesen, wie er für die restlichen Kantonsmitarbeitenden besteht und auch in der Privatwirtschaft üblich ist.» Das dürfte sich allerdings bald ändern. Aus dem Parlament sind bereits Stimmen laut geworden, die mindestens die Definierung eines Minimalbetrags für individuelle Spesen fordern. So könnten künftig nur noch Auslagen ab 50 oder 100 Franken zulässig sein. Möglich ist auch, dass der politische Druck zur Abschaffung der Individualspesen führt – in den meisten anderen Kantonen laufen alle Spesen über eine Pauschale.
Minimalbetrag fehlt immer noch
Mit der Definition eines Spesenrahmens hat sich auch die Berner Regierung bei der Anpassung der Verordnung 2020 befasst – und sie verworfen. Ohne vorgeschriebenen Minimalbetrag könnten die Magistraten deshalb theoretisch auch heute noch den Kauf einer Banane rechtmässig auf Kosten der Steuerzahlenden abrechnen, das Stichwort «Verpflegung» genügt.
Die Regierung begründete den Verzicht auf einen Spesenrahmen damit, dass die Transparenz ohnehin gewährleistet sei, denn die Ausgaben der Exekutivmitglieder unterlägen dem Öffentlichkeitsprinzip.
So gesehen, ist es eine Ironie der Geschichte, dass die Berner Regierung nun unter Druck steht, weil SRF die Spesenbelege öffentlich machte. Allerdings hatte der Kanton gemäss «Kassensturz» noch versucht, die auf das Öffentlichkeitsprinzip gestützte Forderung nach Herausgabe der Belege zu verhindern.Hätte die Regierung mit einem revidierten Reglement aufgezeigt, dass es den Magistraten auch theoretisch inzwischen nicht mehr möglich ist, Kleinstbeträge als Spesen geltend zu machen, wäre der jetzige Wirbel um «Bananen-Gate» wohl weniger heftig ausgefallen. Finanzkontrolle-Chef Remund sagt: «Mit Verzicht auf einen verbindlichen Spesenrahmen muss befürchtet werden, dass der Kanton Bern auch in Zukunft Gesprächsstoff zum Schmunzeln oder Kopfschütteln bieten wird.»