Belegschaft schreibt Brief
Sommaruga soll bei RTS durchgreifen

Das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) kommt nicht zur Ruhe. Nach Vorwürfen wegen Übergriffen wenden sich 300 Angestellte nun direkt an Medienministerin Simonetta Sommaruga.
Publiziert: 08.07.2021 um 09:25 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2021 um 12:25 Uhr
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Beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) brodelt es.
Foto: Keystone

Beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) hängt der Haussegen gewaltig schief, und das schon seit Monaten. 300 RTS-Angestellte wenden sich nun an Medienministerin Simonetta Sommaruga (61) – mit einem Hilferuf. Sommaruga müsse den SRG-Verwaltungsrat dazu bringen, die RTS-Missstände lückenlos aufzubereiten. Das ist in ihren Augen bislang nicht wirklich geschehen.

Nachdem im Herbst letzten Jahres Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe, Mobbing und Machtmissbrauch publik geworden sind, hatte RTS das Anwaltsbüro Collectiv de Défense mit einer umfassenden Untersuchung eingesetzt. Ein Zwischenbericht im April entlastete die prominentesten Vorwürfe gegen TV-Star Darius Rochebin, andere Kadermitarbeiter mussten hingegen gehen.

300 Angestellte schlagen Alarm

Nun hat das Anwaltskollektiv die Analyse von Aussagen von 230 Zeuginnen und Zeugen abgeschlossen. Zum Vorschein kamen zahlreiche weitere Vorfälle: Berichte über Diskriminierungen, Grabschereien oder ungewollte Küsse. Es ergäben sich viele Persönlichkeitsverletzungen in den 20 vergangenen Jahren – und das systematisch. Zudem empfahl das Büro, die Verantwortlichkeiten von acht Chefs noch einmal abzuklären.

Allerdings: Beschwerden über die aktuelle Situation, die eine Untersuchung von Vorfällen in den letzten Monaten nötig machen würden, gebe es nicht.

Einen wunden Punkt hat der Bericht, der unter Verschluss gehalten wird, offenbar trotzdem getroffen. Laut «Tages-Anzeiger» haben nun 300 Angestellte einen offenen Brief an Bundesrätin Sommaruga unterzeichnet. Man sei «zutiefst bewegt», der Anwaltsbericht bestätige Mängel beim Schutz des Personals. Jetzt sei es an der Bundesrätin, den SRG-Verwaltungsrat dazu zu bringen, die Missstände lückenlos aufzuarbeiten – insbesondere eben die Rolle und Verantwortlichkeit einzelner Chefs. Denn die bisherigen Abklärungen entsprächen nicht den Erwartungen.

Gewerkschaft prüft Klage

SRG-Sprecher Edi Estermann betont gegenüber dem «Tages-Anzeiger», es handle sich beim Anwaltsbericht nicht um eine Untersuchung, sondern um eine Zusammenstellung offener und anonymer Meldungen. Neue Untersuchungen gegen Kader würden entweder durch den SRG-Verwaltungsrat oder die RTS-Direktion angeordnet.

Die Mediengewerkschaft SSM wiederum prüft eine Klage. Denn der SRG-Verwaltungsrat habe versprochen, den anonymisierten Bericht auszuhändigen, was aber nicht geschehen sei. Das sei Wortbruch – nun könnte der Zugang auf juristischem Weg erstritten werden. (gbl)

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