Die Kirchen appellieren an die Politik, ihr Herz und die Staatskasse zu öffnen.
Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und die Schweizer Bischofskonferenz wenden sich in einer gemeinsamen Stellungnahme an die eidgenössischen Räte. Im Schreiben bitten sie das Parlament darum, den Rotstift nicht bei der Entwicklungshilfe anzusetzen.
Im Frühling hatte der Bundesrat entschieden, 1,5 Milliarden Franken bei der Entwicklungshilfe abzuzwacken, um damit den Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen. Aussenminister Ignazio Cassis (63) stellt sich auf den Standpunkt, dass es wegen der klammen Bundesfinanzen keinen Spielraum für eine Erhöhung des Entwicklungshilfebudgets gibt. Kommende Woche wird der Ständerat über die Entwicklungshilfe-Strategie entscheiden.
«Trifft die Ärmsten und Verwundbarsten»
Cassis' Entscheid missfällt den Kirchen. Die Politik habe zwar die schwierige Aufgabe, unterschiedliche Interessen abzuwägen, stellen auch sie in ihrer Stellungnahme fest. Sie hätten auch Verständnis für die veränderte Sicherheitslage in Europa.
Man hoffe aber, dass das Parlament seine Möglichkeiten ausschöpfe und «einen Weg finde», um von Kürzungen der Beiträge bei der Entwicklungszusammenarbeit abzusehen, heisst es im Schreiben weiter. «Wenn wir unsere Leistungen reduzieren, würde dies die Ärmsten und Verwundbarsten auf dieser Welt unverhältnismässig stark treffen», warnen die Kirchen.
Ansehen der Schweiz tangiert
Auch von anderer Seite wird in der Sache lobbyiert. So wenden sich ehemalige und aktuelle Amtsträgerinnen und Amtsträger bürgerlicher Parteien wie auch Wissenschaftler ebenfalls in einem Schreiben an die Ständeräte.
Auch sie bitten die Politiker, nicht bei den Ärmsten zu sparen: «Dies gefährdet das Ansehen der Schweiz und ihre besondere Stellung in der Diplomatie», heisst es. Mittelfristig würde dies auch der hiesigen Wirtschaft schaden, warnen sie.
Unterschrieben wurde der Brief etwa vom ehemaligen FDP-National- und Ständerat Felix Gutzwiller (76) oder der alt Ständerätin Christine Beerli (71, FDP) aus Bern. Ebenfalls hinter dem Appell stehen Urs Schwaller (71), einstiger Ständerat und ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Post sowie Manuel Sager (63), einstiger Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) beim Bund.
Er sehe die Notwendigkeit einer Aufstockung des Militärbudgets, sagt Sager zu Blick. Doch es sei «kurzsichtig», dass «mit einer finanzpolitischen Hauruckübung die sicherheitspolitischen Fehleinschätzungen der letzten Jahrzehnte auf Kosten der Ärmsten dieser Welt ausgebügelt werden sollen». «Früher oder später werden die Probleme der anderen zu unseren eigenen.»