Noch ist das Feld der möglichen Kandidierenden für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset (51) gross. Bei genauer Betrachtung fallen aber viele SPler weg, die schon bei der Nachfolge für Simonetta Sommaruga (62) aufgrund ihrer privaten Situation abgewunken haben. Schliesslich ist Elisabeth Baume-Schneiders (59) Wahl erst ein halbes Jahr her.
Da die Justizministerin aus der Romandie kommt, richtet sich der Blick auf Deutschschweizer SP-Männer. Zwar täte es dem Image der Partei gut, zwei Bundesrätinnen zu stellen, doch bei den SP-Frauen ist die Auswahl überschaubar.
Herzog ware aussichtsreich
Chancen hätte Eva Herzog (61). Doch es ist fraglich, ob sie aufs Ständeratspräsidium verzichten und sich schon wieder einer Bundesratswahl stellen will. Nach der Absage Flavia Wasserfallens (44) ist es nun wenig realistisch, dass am Schluss noch eine aussichtsreiche Frau zur Verfügung steht.
Drum zurück zu den SP-Männern: In der Bundesversammlung hätte Ständerat Daniel Jositsch (58) gute Chancen, stünde er auf dem SP-Ticket. Doch diese Möglichkeit habe er verspielt, heisst es aus der Fraktion. Dass er im vergangenen Herbst partout nicht von einer Kandidatur abrücken wollte, obwohl eine Frau gefragt war, verzeihen ihm viele nicht.
Jans könnte Sitz nach Basel holen
Wer bleibt? Nicht vertreten sind im Bundesrat die städtischen Gebiete. Und Basel stellte seit dem Rücktritt von Hans-Peter Tschudi Ende 1973 keinen Bundesrat mehr. Mit Regierungspräsident Beat Jans (58) weist der Stadtkanton nun aber einen aussichtsreichen Kandidaten aus, der obendrein ursprünglich Landwirt ist – ein weiter Pluspunkt im Parlament, man erinnere sich an die Begeisterungsstürme, die Baume-Schneider bei den Bauern auslöste.
Jans rückte 2010 in den Nationalrat nach und stieg später zum SP-Vizepräsidenten auf. Er war Mitglied von gleich zwei bedeutenden Kommissionen: der Wirtschaftskommission und der Umwelt- und Energiekommission.
«Wer das schafft, der zeigt, dass ihm nicht nur einiges zugetraut wird, sondern auch, dass er ellbögeln kann, um seine Ziele zu erreichen», sagt eine SP-Parlamentarierin. Das brauche es auch für den Bundesrat. Zudem habe Jans in der Basler Regierung, in die er 2020 gewählt wurde, gezeigt, dass er staatsmännisch auftreten könne. Wobei Regieren im linken und reichen Basel wohl einfacher ist als im Bundesrat.
Schafft es mit Jon Pult ein Bündner?
Mit dem «Städter» aufs Ticket schaffen könnte es der Bündner Jon Pult (38). Im Unterengadin und in Mailand aufgewachsen, sprach er bis ins Kindergartenalter nur romanisch und italienisch. Das hört man aber nicht mehr. Im Gegenteil. Es gab eine Zeit, zu der ein Politiker eins sein musste: «Arena»-tauglich. Heisst: Botschaften verständlich und prägnant rüberbringen, ohne dabei arrogant zu wirken. Pult, Präsident der Alpen-Initiative, gelingt das mit Leichtigkeit.
2019 in den Nationalrat gewählt, steht der Historiker aktuell der Verkehrskommission vor. Von erfahrenen Sozialdemokraten wird er als «das grösste politische Talent» unter den männlichen Fraktionsmitgliedern bezeichnet. Auch wenn er nach aussen bis jetzt wenig einflussreich wirkt.
Sechs Monate sind es noch bis zur Wahl der Berset-Nachfolge. In dieser Zeit kann viel passieren. Stand heute sind Pult und Jans aber Kronfavoriten für das Ticket. Beide sind interessiert und wollen sich über die Sommerferien klarwerden, ob sie ernsthaft kandidieren. Die Frage, ob die Bundesversammlung am 13. Dezember mit Jans der Stadt den Vorzug gibt oder sich wie so oft das Land mit dem «Bergler» Pult durchsetzt, steht auf einem anderen Blatt.