Es sollte ein Befreiungsschlag werden: Die Chefin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Anne Lévy (49), kündigte am Mittwoch ein Impfzertifikat an – «einheitlich, fälschungssicher und international anerkannt». Und zwar bis zum Sommer.
Das wäre ein Lichtblick! Wenn das BAG nicht bloss das Versprechen einhalten könnte, dass wir alle bis Ende Juni geimpft sind – sondern auch, dass wir dann unkompliziert ins Ausland reisen können.
Datenskandal erwischt BAG kalt
Doch Lévy ging es nicht darum, gute Laune zu verbreiten. Stattdessen musste sie sich fürs x-te BAG-Digitaldebakel in den letzten Monaten rechtfertigen: Das vom Bund unterstützte elektronische Impfbüchlein und der Corona-Impfnachweis MyCovidVac mussten vom Netz genommen werden – wegen schockierender Sicherheitsmängel. Für Hacker war es ein Leichtes, Impfdaten zu manipulieren.
Für den Bund ist das mehr als peinlich. Nicht nur, weil das BAG erst kürzlich 450'000 Franken in die Stiftung dahinter gebuttert hatte – für Datensicherheit übrigens. Schlimmer noch: Mit MyCovidVac fällt auch eine Datenbasis für den Impfpass weg. Lévy verkündete zwar, das geplante Zertifikat habe nie etwas mit MyCovidVac zu tun gehabt.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Noch im Januar hatte Sang-Il Kim, Mann für digitale Transformation im BAG, der «NZZ» gesagt: «Dieses System kann nachher dazu benutzt werden, um einen Impfnachweis auf dem Smartphone dabeizuhaben.»
Und auch laut «Tages-Anzeiger» galt MyCovidVac im BAG bis vor kurzem noch als mögliche Datenbasis dafür. Denn die Daten für den Impfpass zu erhalten, ist ein Problem: Weder der Bund noch die Kantone dürfen Impfregister führen – es gibt schlicht kein Gesetz dafür.
Taugt das Anmeldesystem?
So bleibt auf den ersten Blick nur eine weitere Datenquelle übrig: das Tool, das die Kantone für die Impfanmeldungen benutzen. Doch auch hier lauern Stolpersteine: Erstens müssen die Daten nach ein paar Monaten gelöscht werden – weil es eben kein Impfregister geben darf. Zweitens sagen schon jetzt einige Kantone, dass sie diese Daten gar nicht hätten.
Drittens ist das Software-System Onedoc, das die meisten Kantone für die Impfterminplanung nutzen, bisher vor allem durch ein Anmeldechaos aufgefallen. In Zürich war dieses so gross, dass der Kanton bei den Bernern anklopfte und deren Anmeldesystem übernommen hat.
Kommt die Hoffnung aus Bern?
Das Berner System läuft bislang reibungslos, weswegen der Kanton in seiner Software noch Potenzial sieht: Wie BLICK weiss, hat der Kanton dem Bund offiziell angeboten, das System so auszubauen, um darüber den Impfpass auszustellen. Der Bund soll das nun prüfen.
Noch immer ist beim Impfpass vieles unklar: nicht nur, woher die notwendigen Daten kommen sollen, sondern auch, wer sie verarbeitet und wie. Vieles hängt dabei massgeblich davon ab, was die EU tut. «Wir wollen aber nicht auf Europa warten», so Lévy. Gemeinsam mit den Kantonen, dem Eidgenössischen Datenschützer und der Wirtschaft habe man dazu eine Arbeitsgruppe gebildet.
BAG hat getrödelt
Mitte März ist reichlich spät, um eine Arbeitsgruppe zu bilden. Denn Lévy kommt immer mehr unter Druck: Die EU hat ihren Impfpass auf Anfang Juni angekündigt, die Schweizer Wirtschaft fordert diesen ebenfalls noch vor dem Sommer. Früher sei es nicht möglich gewesen, verteidigt sich die BAG-Chefin. Das Parlament habe erst gerade die gesetzliche Grundlage geschaffen.
Doch auch das ist nur teilweise richtig: Wie BLICK im Februar berichtete, hält der Bundesrat eine solche Grundlage gar nicht für nötig. Das BAG hätte früher mit den Arbeiten beginnen können.
Wahrscheinlich mit QR-Code
Besser spät als nie, könnte man jetzt sagen. Doch auf den Bund und die Kantone wartet viel Arbeit. Nicht einmal, wie der Impfpass genau aussieht, ist klar: Wahrscheinlich gibt es einen QR-Code, den man auf dem Handy speichern und auf Papier ausdrucken kann. In einem ersten Schritt soll der Pass nur für Geimpfte ausgestellt werden. Erst in der zweiten Phase können sich auch Genesene und negativ Getestete damit als coronafrei ausweisen.
Die Schweizer Impfkampagne verläuft zwar langsam, aber sie kommt voran. Von den über 75-Jährigen ist ein Grossteil nun geimpft, wie das BAG gestern bekannt gab. Von der Gesamtbevölkerung haben rund neun Prozent zumindest die erste Impfdosis erhalten. Pro Tag werden etwa 21 000 Spritzen gesetzt.
Die Gruppe mit dem höchsten Risiko ist also in Sicherheit. Kann man jetzt die Corona-Einschränkungen lockern und Restaurants, Fitnesscenter und Kinos wieder öffnen?
Tatsächlich trage die Impfkampagne Früchte bei den über 85-Jährigen, sagt Virginie Masserey vom BAG. Die zurzeit tiefen Hospitalisations- und Todeszahlen liessen sich auf die Impfungen zurückführen. «Wir beobachten eine gute Entwicklung bei älteren Personen.»
Trotzdem mahnt Masserey zur Vorsicht, was weitere Öffnungen angeht: «Risikopatienten lassen sich in allen Altersgruppen finden.» Insbesondere Personen ab 50 Jahren und Chronischkranke seien gefährdet. Das Medianalter von Corona-Spitalpatienten liegt aktuell bei 64 Jahren, also der Generation der Babyboomer. Grosse Lockerungen könnten dazu führen, dass die Spitäler schnell wieder voll wären.
Taskforce-Chef Martin Ackermann doppelte nach: «Zahlen aus Israel zeigen, dass es noch etwas dauern wird, bis wir in der Schweiz über den Berg sind.» Je schneller man alle Altersgruppen impfen könne, desto schneller entspanne sich die Lage.
Deswegen gebe das Tempo der Impfungen vor, wann weitere Öffnungen vorgenommen werden könnten. «Weniger Tempo beim Öffnen, dafür mehr Tempo beim Impfen», wünscht sich Ackermann.
Noa Dibbasey
Die Schweizer Impfkampagne verläuft zwar langsam, aber sie kommt voran. Von den über 75-Jährigen ist ein Grossteil nun geimpft, wie das BAG gestern bekannt gab. Von der Gesamtbevölkerung haben rund neun Prozent zumindest die erste Impfdosis erhalten. Pro Tag werden etwa 21 000 Spritzen gesetzt.
Die Gruppe mit dem höchsten Risiko ist also in Sicherheit. Kann man jetzt die Corona-Einschränkungen lockern und Restaurants, Fitnesscenter und Kinos wieder öffnen?
Tatsächlich trage die Impfkampagne Früchte bei den über 85-Jährigen, sagt Virginie Masserey vom BAG. Die zurzeit tiefen Hospitalisations- und Todeszahlen liessen sich auf die Impfungen zurückführen. «Wir beobachten eine gute Entwicklung bei älteren Personen.»
Trotzdem mahnt Masserey zur Vorsicht, was weitere Öffnungen angeht: «Risikopatienten lassen sich in allen Altersgruppen finden.» Insbesondere Personen ab 50 Jahren und Chronischkranke seien gefährdet. Das Medianalter von Corona-Spitalpatienten liegt aktuell bei 64 Jahren, also der Generation der Babyboomer. Grosse Lockerungen könnten dazu führen, dass die Spitäler schnell wieder voll wären.
Taskforce-Chef Martin Ackermann doppelte nach: «Zahlen aus Israel zeigen, dass es noch etwas dauern wird, bis wir in der Schweiz über den Berg sind.» Je schneller man alle Altersgruppen impfen könne, desto schneller entspanne sich die Lage.
Deswegen gebe das Tempo der Impfungen vor, wann weitere Öffnungen vorgenommen werden könnten. «Weniger Tempo beim Öffnen, dafür mehr Tempo beim Impfen», wünscht sich Ackermann.
Noa Dibbasey