Vor zehn Jahren war das Mass erstmals überschritten. «Es ist reiner Terror», sagt Carmen Greber (56). Die Hundetrainerin und ihr Mann Alois (62) leben seit einem Vierteljahrhundert in Killwangen AG. Aus ihrem Wohnzimmerfenster blickt Greber direkt auf die A1, die sich auf der anderen Seite der Limmat befindet. Dort, bei der Raststätte in Würenlos AG, heulen am Wochenende die Motoren auf.
«Niemand kann uns richtig helfen», sagt Greber. Selbst an das Bundesamt für Strassen (Astra) schrieben sie und ihr Mann bereits Beschwerdebriefe. Und sowohl die Aargauer Polizei als auch die Gemeinde Würenlos seien sich des Problems längst bewusst. Bereits mehrfach mussten die Behörden die Autobahneinfahrt aufgrund der langen Autokolonnen sperren.
Petition fordert Rahmenbedingungen für Lärmblitzer
Die Raststätte will derweil mit einem Massnahmenplan für mehr Ruhe sorgen. So werden etwa Flyer an die Besitzer der aufgemotzten Audis und BMWs verteilt. Schwellen, die das Beschleunigen verhindern sollen, werden errichtet. Zudem wurden die Öffnungszeiten nach und nach ausgeweitet. So bedient der Burger King seit Februar die Gäste am Wochenende bis 5 Uhr morgens statt nur bis 23 Uhr. Laut Betreiberin will man die Scharen so ausdünnen. «Stattdessen bleibt das Motorengeheul nun die ganze Nacht», sagt Greber.
Wenige Stunden nach dem Treffen mit Blick begab sich Carmen Greber nach Bern. Dort überreichte die Lärmliga dem Parlament eine Petition, die eine rechtliche Grundlage für sogenannte Lärmblitzer fordert. Die Radargeräte messen die Lautstärke des Strassenverkehrs und sollen so der Polizei den Kampf gegen aufheulende Motoren erleichtern. Rund 20’000 Unterschriften sammelte die Organisation im vergangenen Monat. Auch Greber half mit.
Vor einem Jahr führte das Bundesamt für Umwelt mit den Geräten ein Pilotprojekt in Genf durch. Aktuell werden die Radaranlagen in Röschenz BL weiter getestet. «Wie die Erfahrungen im Ausland zeigen, würden Lärmblitzer für mehr Ruhe in den Städten und entlang der Alpenpässe sorgen», sagt Lärmliga-Präsidentin und SP-Nationalrätin Gabriela Suter (51).
Astra-Zulassung schützt nicht zwingend vor Lärm
«Die Geräte sind aber nur Symptombekämpfung», sagt Alois Greber. Er fordert, dass die Schweiz bereits bei der Zulassung stärker durchgreifen soll.
Die Lärmvorschriften im Strassenverkehr sind ein politisches Dauerthema. Das Astra prüft Strassenfahrzeuge nach europäischer Norm. Dennoch könnten zugelassene Fahrzeuge auf der Strasse mehr Lärm verursachen, wie das Bundesamt auf seiner Webseite schreibt. Denn ausschlaggebend sei auch das Fahrverhalten, das «ausserhalb des Prüfbereichs» liegen könne.
«Grundsätzlich müssen sich die Leute mehr wehren», sagt Carmen Greber. Auch wenn sie selbst mit der Polizei negative Erfahrung machte. Bereits zweimal stand eine Patrouille vor ihrer Haustür. Wenn ihr der Lärm nicht passe, solle sie wegziehen, wurde ihr etwa geraten. Und dass sie nicht mehr vor 22 Uhr anrufen solle. Dabei verbietet das Strassenverkehrsgesetz das Verursachen unnötigen Lärms rund um die Uhr.
Stärkere Sanktionen für Lärmsünder sollen kommen
Um durchzugreifen, fehlen der Polizei aber oft die Beweismittel. Lärmblitzer könnten dies ändern. Doch auch dann: Das Strafmass für Lärmsünder sei heute zu tief, monieren Kritikerinnen und Kritiker. Bereits vor drei Jahren überwies das Parlament daher eine Motion der nationalrätlichen Umwelt-Kommission an den Bundesrat. Sie fordert, die Verwendung illegaler Bauteile und übermässiger Lärm zukünftig stärker zu sanktionieren. Mittlerweile hat der Bundesrat ein Massnahmenpaket entworfen.
Ob Lärmblitzer, Sanktionierungen oder verschärfte Zulassungen: Für das Ehepaar Greber sollen Bund und Kanton endlich konsequenter durchgreifen. «Wir wollen wieder leben und unseren Garten geniessen», sagt Carmen Greber. Und zwar so, dass an einem Samstagabend die eigenen Worte nicht im Motorengeheul untergehen.