Nach acht Jahren Bern ist Schluss! SVP-Nationalrat Roger Köppel (57) wird bei den Wahlen im Herbst nicht mehr antreten, wie der Zürcher am Freitag in einer Mitteilung bekannt gab.
Er wolle sich in Zukunft auf seine Tätigkeit als Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche» konzentrieren und «mögliche Interessenkonflikte zwischen der zusehends internationalen Ausrichtung der Weltwoche und meiner politischen Miliztätigkeit vermeiden», so Köppel.
Sein Dank gelte der SVP und allen Kollegen im Nationalrat für die zahllosen Debatten und Auseinandersetzungen: «Alle, die in Bern wirken, egal, ob links oder rechts, setzen sich für das Wohl unserer Schweiz ein, aus ihrer Sicht, nach bestem Wissen und Gewissen – diese Vielfalt, das Ringen um Lösungen, um Kompromisse in der Miliz machen unsere Schweiz aus. Tragen wir Sorge dazu! Danke, dass ich dabei sein durfte», schreibt Köppel.
Bestgewählter Parlamentarier der Schweiz
Mit Roger Köppel verliert der Nationalrat eines seiner wohl streitbarsten Mitglieder. Köppel war immer wieder gut für Schlagzeilen und wurde zweimal mit einem sensationellen Resultat gewählt. 2015, als er erstmals antrat, holte er gar so viele Stimmen wie kein Nationalrat in der Schweizer Geschichte: 178'090.
Auch 2019 musste er sich nur vom heutigen Bundesrat Albert Rösti (55) geschlagen geben. Die Wahl in den Ständerat gelang ihm nicht – was zeigt, dass Köppel sehr polarisierte und vor allem im SVP-Lager mobilisieren konnte.
«Grossartiger Wahlkämpfer»
Die Zürcher SVP nimmt den Entscheid mit Bedauern zur Kenntnis. «Roger Köppel war einer der kreativsten Köpfe in der SVP-Bundeshausfraktion und ein grossartiger Wahlkämpfer», schreibt sie in einer Mitteilung.
Auch SVP-Präsident Marco Chiesa (48) bedauert den Rücktritt. «Das Parlament verliert eine kompetente und unbequeme Stimme. Und einen grossartigen Debattierer.» Es gebe in der Schweiz nur wenige Politiker, die rhetorisch so stark argumentieren könnten. «Aber ich freue mich, dass er als Verleger und Journalist eine wichtige Stimme in der Öffentlichkeit bleibt.»
SVP-Doyen Christoph Blocher (82) sagt gegenüber Blick, dass er Köppels Rücktritt erwartet habe. «Ich habe Verständnis für diesen Schritt – auch wenn ich ihn bedauere.» Das journalistische Engagement beanspruche Köppel immer mehr im deutschsprachigen Ausland. Und er fügt hinzu: «Mit dem Rücktritt eines Politikers verschwindet dessen Geist nicht gleich aus dem Parlament – jedenfalls nicht, wenn er ein guter Geist war. Und das war und ist er.»
Integration fiel ihm schwer
Für die Wähler dürfte der Verlust verschmerzbar sein – der politische Fussabdruck, den Köppel hinterlässt, ist klein. Nur neun Vorstösse reichte er in seinen acht Jahren im Nationalrat ein. Sie drehten sich selten um Probleme, die den Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln brennen, sondern behandelten eher intellektuelle und institutionelle Fragen.
Und keine fand je eine Mehrheit im Parlament. Das erstaunt teils wenig, forderte er doch 2017 die Halbierung aller Bezüge der Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Dass diese für solche Ideen nicht zu haben sind, zeigt auch die aktuelle Debatte um den Teuerungsausgleich. Doch auch von öffentlichen Bundesratssitzungen, wie Köppel sie forderte, wollte niemand etwas wissen.
Ohnehin war er nicht so oft anwesend. Köppel führte während seiner gesamtem Amtszeit die Liste der Parlamentsschwänzer an. Auch in den Kommissionen – er sass seit seinem Amtsantritt in der Aussenpolitischen Kommission und der Delegation für die Beziehungen zum Deutschen Bundestag – tat sich Köppel nur selten durch Parlamentsarbeit hervor, wie Ratskollegen berichten.
Selbst in der Wandelhalle sah man ihn kaum im Gespräch mit anderen Parlamentariern – meist sass er an einem Pult und hackte konzentriert Texte in seinem Computer – mutmasslich Editorials für die «Weltwoche» – oder nahm sein Videoformat «Weltwoche Daily» auf.
«Mehr Journalist als Politiker»
Faul ist Köppel mitnichten, vielmehr ein Arbeitstier. Alt SVP-Bundesrat Adolf Ogi (80) sieht in seinem massiven Arbeitspensum sogar einen Grund für den Rücktritt: «Sein Tagesablauf von 3 Uhr morgens bis spätabends und die Reisen nach Budapest, Wien, Deutschland und Dubai wären gesundheitlich längerfristig nicht zu verkraften gewesen.»
Fleissig und getrieben – aber eben kein Parlamentarier. «Er ist mehr Journalist als Politiker», sagt Ogi und ist sich da sogar mit Gegenspieler Blocher einig. Dieser sagt: «Von Anfang an war es für Roger Köppel ja schwierig, seine Aufgaben als Chefredaktor und Eigentümer der ‹Weltwoche› sowie sein Mandat als Nationalrat unter einen Hut zu bringen. Dass er nun die mühsame politische Arbeit, den Paragrafen nachzurennen, aufgibt, kann man ihm nicht verübeln.»
Köppels Doppelrolle sorgte immer wieder für Diskussionen in der Fraktion. Im Streit gehe er aber nicht, wie Blocher versichert. «Natürlich gab es Auseinandersetzungen mit ihm. Diese hat er auch gesucht – und das war gut so.»
Heikle Doppelrolle
Die Doppelrolle als Parlamentarier und Journalist brachte Köppel mehrmals in die Bredouille – zuletzt im vergangenen Frühjahr, als ihm vorgeworfen wurde, das Kommissionsgeheimnis verletzt zu haben.
Köppel berichtete damals auf «Weltwoche Daily» von einer Razzia des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB am 22. März in Moskau. Seine Informationen stammten aus einer als vertraulich klassifizierten Notiz des Aussendepartements EDA, aus dem er ganze Passagen vorlas. Für Köppel, der behauptete, die Informationen nicht aus der Kommission, sondern schon zuvor aus einer anderen Quelle gehabt zu haben, hatte das keine Sanktionen zur Folge.
«Sein Kampf gegen alles wirkt nicht mehr»
In seinem Rücktrittschreiben tönt Köppel selbst an, dass diese Doppelrolle als erste und vierte Gewalt im Staat zu Interessenskonflikten führen kann. Nun zieht er die Konsequenzen.
Für die SVP Zürich sind das schlechte Nachrichten, verliert sie doch ihren besten Wahlkämpfer. «Natürlich könnte es uns einige Listenstimmen kosten, wenn er nicht mehr antritt», bestätigt Blocher. Aber der Untergang sei das sicher nicht. «Auch bei meinem Rücktritt hiess es ja, das werde schmerzlich für die SVP. Und was ist passiert? Wir sind so stark wie zuvor.»
Ogis Einschätzung ist eine andere. Er findet, Köppel sei mit seinem Putin-Versteher-Kurs auch in den eigenen Reihen immer weniger auf Verständnis gestossen. Noch länger bei Putin zu verharren, hätte ihn wohl die Wiederwahl gekostet und der SVP geschadet. «Sein Kampf gegen alles – Bundesrat, Europa und die USA – wirkt nicht mehr. Jetzt merkt er es, enfin.»