Insgesamt 171 Armeeseelsorger kümmern sich um die Sorgen und Nöte der Schweizer Soldaten. Bald gehört auch Muris Begovic (41) zu ihnen. Der ausgebildete Imam wird der erste Armeeseelsorger der Schweiz mit muslimischem Hintergrund.
Derzeit läuft die dreiwöchige Weiterbildung im Armee-Ausbildungszentrum in Luzern, später steht noch ein Praktikum an. Konnten bisher nur Katholiken, Reformierte und seit zwei Jahren auch Freikirchen-Mitglieder Armeeseelsorger werden, werden nun nebst Begovic als einzigem Muslim zum erstem Mal auch zwei Männer jüdischen Glaubens in den Dienst aufgenommen.
Mit 40 in die RS
Gebraucht werden sie – schliesslich befinden sich unter den Rekruten heute auch viele junge Männer muslimischen Glaubens, vor allem Secondos. Und doch hat die Armee jahrelang über diesen Schritt diskutiert. Erst 2017 hatte der damalige Korpskommandant Philippe Rebord (65) die SVP aufgeschreckt, als er sich offen für muslimische Armeeseelsorger zeigte.
Für Begovic bedeutet der neue Job: mit 40 in die RS. Weil der in Bosnien geborene Imam erst mit 28 den Schweizer Pass bekam, musste er vergangenes Jahr zuerst eine dreiwöchige Miniversion der Rekrutenschule absolvieren, um auch die militärischen Voraussetzungen für den Seelsorgedienst zu erfüllen.
In diesen Wochen in der Kaserne habe er bereits gemerkt, dass sein offenes Ohr in der Truppe durchaus gefragt sei. «Schon da sind einige auf mich zugekommen und fragten nach einem persönlichen Gespräch», erzählt er.
Nicht nur für Muslime da
Begovic ist Geschäftsführer des Vereins muslimische Seelsorge Zürich und der Vereinigung der Islamischen Organisationen Zürich. Bis jetzt stand er als Seelsorger Gefängnisinsassen zur Seite oder besuchte auf Wunsch Kranke im Spital. Als Armeeseelsorger, sagt er, möchte er der Schweiz etwas zurückgeben. «Ich möchte jenen Menschen dienen, die unserem Land dienen.»
Anders als in anderen Ländern ist es dabei nicht so, dass Begovic allein für die muslimischen Armeeangehörigen zuständig ist. Die Armee betont, dass jeder Seelsorger für alle da ist. Jeder Truppe ist eine Person zugeteilt. «Gibt es aber islamspezifische Fragen, stehe ich natürlich zur Verfügung», sagt Begovic.
Während Corona sehr gefragt
Laut Armee ist die Nachfrage nach Seelsorgern in den eigenen Reihen in den letzten Jahren tendenziell gestiegen. Allein bei den Truppen, die sich im Corona-Assistenzdienst befanden, habe es über 10'000 sogenannte Interventionen gegeben, sagt der oberste Armeeseelsorger Samuel Schmid (49).
Das können beispielsweise Gespräche sein mit Rekruten, die Liebeskummer haben oder mit dem Zusammenleben in der Kaserne nicht zurechtkommen. Die Armeeseelsorger sind aber auch in guten Momenten da, stehen Kadern beratend zur Seite oder organisieren besinnliche Momente. Um religiöse oder spirituelle Themen gehe es nur in einer Minderheit der Fälle, sagt Schmid.
Die Öffnung der Armeeseelsorge für Muslime und Juden sei erst der Anfang, betont deren Leiter. Gespräche mit weiteren Religionsgemeinschaften würden bereits laufen. Gut möglich, dass es bald also auch buddhistische oder hinduistische Seelsorger im Militär gibt.