Diese Zugfahrt könnte einen Offizier des Armeestabs teuer zu stehen kommen. Im vollen Pendlerzug von Bern nach Zürich soll er am Telefon nicht nur lautstark über Einschätzungen des Schweizer Militärs zum Ukraine-Krieg geplaudert haben. Er habe gleichzeitig auch über Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) und Bundespräsident Ignazio Cassis (61) gelästert. Sein Pech: Neben ihm sass ein Journalist von CH Media, der sich für 19.50 Fr. einen Klassenwechsel für die 1. Klasse gönnte. Und der machte sich fleissig Notizen.
So soll der Offizier am Telefon erklärt haben, dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin (69) aus Sicht der Schweizer Armee kein irrational handelnder Akteur sei. Mit der gescheiterten Strategie zum schnellen Sturz des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) sei er ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Das habe sich zwar nicht ausgezahlt. Doch gemäss «unserer Einschätzung», zitiert CH Media den Offizier, sei Putin durchaus in der Lage, seine Strategie den veränderten Bedingungen anzupassen.
«Amherd und Cassis sind schwache Figuren»
Dann zieht der Mann über Verteidigungsministerin Amherd und Aussenminister Cassis vom Leder. Beide habe er gegenüber seinem Gesprächspartner als «schwache Figuren» bezeichnet, die sich in der Krise «in eine Schneekugel verkriechen würden» und nur ein «Küchenkabinett» um sich scharen und einzig auf dessen Mitglieder hören würden.
In einem zweiten Telefonat soll das Lästermaul ebenfalls offen aus der Schule geplaudert haben. So habe er von seinem Gespräch mit Christian Lanz, dem Schweizer Verteidigungsattaché in Stockholm, berichtet. Mit diesem habe er sich über die laufenden Debatten in Finnland und Schweden über einen Nato-Beitritt unterhalten. Daraus werde er einen Bericht für die oberste Sicherheitsberaterin des Bundes, Pälvi Pulli, erstellen.
«Intolerable Regelverstösse»
Bei der Armee kommt das gar nicht gut an. Immerhin gebe es klare Regeln für Mitarbeitende der Bundesverwaltung. «Sollte das geschilderte Verhalten zutreffen, so lägen diverse Regelverstösse vor, die intolerabel sind», wird Armeesprecher Daniel Reist zitiert. «Auch negative Äusserungen über Vorgesetzte in der Öffentlichkeit seitens Mitarbeitenden sind nicht zu akzeptieren.»
Es sei eine formelle Befragung des entsprechenden Offiziers eingeleitet worden. Darauf folge entweder eine Disziplinaruntersuchung oder es können personalrechtliche Massnahmen drohen – von einer Verwarnung bis hin zur fristlosen Kündigung.
Noch ist unklar, ob der Mitarbeitende des Armeestabs klassifizierte Informationen verraten habe, wird Armeesprecher Reist weiter zitiert. Die Bundespersonalverordnung verpflichte aber alle Bundesangestellten zur Verschwiegenheit «über berufliche und geschäftliche Angelegenheiten, die nach ihrer Natur oder aufgrund von Rechtsvorschriften oder Weisungen geheim zu halten sind».
Auch würden gerade Mitarbeitende der Armeeverwaltung regelmässig bezüglich Informations- und Datenschutz sensibilisiert. Dazu gehöre die Weisung, bei mündlicher Weitergabe geheimer Informationen «geeignete Massnahmen gegen das Abhören» zu treffen. (dba)
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