Am meisten Gesuche
Warum so viele Türken in der Schweiz Asyl wollen

Die Zahl der türkischen Staatsangehörigen, die in der Schweiz Asyl suchen, ist im vergangenen Jahren stark angestiegen. Warum ist das so?
Publiziert: 16.02.2024 um 20:51 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2024 um 09:51 Uhr
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Die Asylgesuche von Menschen aus der Türkei hat im letzten Jahr um über 40 Prozent zugenommen. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

30'223 Menschen haben letztes Jahr in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Das wichtigste Herkunftsland von Asylsuchenden war Afghanistan mit 7934 Gesuchen – rund 1800 davon haben Frauen eingereicht, die hier schon länger als vorläufig Aufgenommene leben. Gleich dahinter kommt die Türkei mit insgesamt 6822 Gesuchen. Heisst: Eigentlich stammen die meisten neuen Gesuche aus dem Land am Bosporus.

Die Zahl der Asylgesuche türkischer Staatsangehöriger nahm 2023 europaweit deutlich zu, in der Schweiz um über 40 Prozent. Das entspricht 2000 Gesuchen, mehr als noch 2022. Krieg herrscht in der Türkei nicht – warum kommen dennoch so viele Menschen aus der Türkei?

Problematische Menschenrechtslage

Der Grund liegt offenbar daran, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan (69) die Schraube angezogen hat. «Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 hat sich die Menschenrechtslage in der Türkei bezüglich der Ausübung politischer Rechte und der freien Meinungsäusserung kontinuierlich verschlechtert», sagt etwa das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage.

Das türkische Justizsystem genüge rechtsstaatlichen Prinzipien oftmals nicht, vor allem wenn es sich um politische Strafverfahren handele. Anhänger der hinter dem Putsch vermuteten Gülen-Bewegung, Oppositionelle und Kritiker von Präsident Erdogan «erleiden einen hohen asylrelevanten Verfolgungsdruck», teilt eine SEM-Sprecherin auf Anfrage mit.

Ähnlich sieht die Flüchtlingshilfe die Situation. «Die Menschenrechtslage in der Türkei ist weiterhin problematisch. Immer mehr Menschen sehen sich gezwungen, vor der autoritären und repressiven Regierung zu fliehen», sagt Sprecher Lionel Walter zu Blick. Der Anstieg entspreche somit einem Trend, der bereits in den letzten Jahren zu beobachten sei.

Politisch Verfolgte suchen Schutz

Eine besondere Gruppe der türkischen Staatsangehörigen sind Kurden. Sie werden von den türkischen Behörden oft verdächtigt, mit der Kurdischen Arbeiterpartei PKK oder anderen vom Staat verbotenen Organisationen zusammenzuarbeiten. Die Menschenrechtssituation im Südosten des Landes – einem Gebiet mit einer mehrheitlich kurdischen Bevölkerung – ist seit Jahren besonders problematisch.

Inwiefern es sich bei den Asylsuchenden um Kurden handelt, kann das SEM nicht sagen, da es die Volkszugehörigkeit der Gesuchsteller nicht erfasst. Bei der Flüchtlingshilfe heisst es aber, dass es in der Schweiz eine vergleichsweise grosse kurdisch-türkische Gemeinschaft gebe. Aus diesem Grund suchten wohl viele kurdische Personen in der Schweiz Unterschlupf.

Schutzquote sinkt

Allerdings gewährt die Schweiz nicht mehr so vielen Türken Asyl wie auch schon. Wurden im Jahr 2021 noch 81 Prozent der Gesuche positiv beantwortet, sank die Quote im Jahr 2023 auf 46 Prozent. Das ist aber etwa im Vergleich zum Irak (14 Prozent) oder Afghanistan (18 Prozent) noch immer hoch.

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«Auch in der Schweiz beobachten wir in jüngster Zeit, dass die Praxis des SEM und Bundesverwaltungsgericht strenger geworden ist und dass Personen, die in früheren Jahren vermutlich Schutz erhalten hätten, auch negative Entscheide erhalten», so Walter von der Flüchtlingshilfe. Beim SEM weist man zudem darauf hin, dass es sich bei über der Hälfte aller Asylgewährungen für türkische Staatsangehörige um gewährte Familiennachzüge handle.

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