Alzheimer Schweiz kritisiert Spitex-Organisationen und fordert mehr Transparenz
Pflegende Angehörige als Geschäftsmodell

Angehörige tragen fast die Hälfte der jährlichen Pflegekosten in der Schweiz. Teils können sie bei Spitex-Organisationen angestellt werden. Das läuft aber nicht immer fair ab.
Publiziert: 31.07.2024 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2024 um 09:42 Uhr
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Angehörige tragen fast die Hälfte der jährlichen Pflegekosten in der Schweiz.
Foto: Keystone
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Jasmine Helbling
Beobachter

Die Betreuung und Pflege von Demenzerkrankten in der Schweiz kostet jährlich 11,8 Milliarden Franken. Rund die Hälfte dieser Summe tragen pflegende Angehörige. «Diese Arbeit wird oft nicht genügend anerkannt und finanziell unterstützt», kritisiert die Organisation Alzheimer Schweiz.

Das Problem dürfte sich zuspitzen: Jährlich erkranken rund 32'900 neue Personen an Demenz, gleichzeitig herrscht im Pflegebereich ein Fachkräftemangel.

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Eine mögliche Lösung: Angehörige werden bei Spitex-Organisationen angestellt und für ihre Arbeit bezahlt. Was sich gut anhört, ist aber nicht immer fair.

Pflegende Angehörige als Geschäftsmodell

«10 vor 10» rechnet ein Beispiel vor: Angehörige erhielten 35 Franken Stundenlohn, die Spitex-Organisationen kassierten hingegen 50 Franken – von Krankenkassen, Gemeinden und Kantonen. Die Ausgaben haben sich laut dem Krankenkassenverband Santésuisse in eineinhalb Jahren verdoppelt.

Einige Organisationen betreiben laut Alzheimer Schweiz «aggressives Marketing» oder wurden eigens zu diesem Zweck gegründet.

Es braucht transparente Kriterien

Angehörige können nur schwer abschätzen, ob eine Organisation seriös ist. «Die Handhabung ist uneinheitlich und intransparent», schreibt Alzheimer Schweiz. Diese Woche veröffentlichte die Organisation deshalb ein Positionspapier. Die wichtigsten Punkte:

  • Nicht jede Person ist geeignet: Die Pflege ist eine grosse Herausforderung und kann zur 24-Stunden-Aufgabe werden. Oft handelt es sich bei pflegenden Angehörigen um Ehepartnerinnen in einem ähnlichen Alter. Es muss individuell abgeklärt werden, ob sie körperlich und psychisch dazu in der Lage sind, diese Aufgabe zu übernehmen.
  • Verbindlicher Vertrag und faire Bezahlung: Angehörige müssen über finanzielle Risiken wie Vorsorgelücken aufgeklärt, fair entlöhnt und rechtlich abgesichert werden.
  • Grundausbildung und Begleitung: Personen ohne pflegerische Vorkenntnisse müssen geschult und begleitet werden.
  • Politische Massnahmen: Die Politik soll schweizweite Rahmenbedingungen schaffen und transparent machen. Zudem müsse die Betreuung von Demenzerkrankten über die Grundversicherung gedeckt werden. Geringverdienende können sich heute oft keine Entlastungsangebote wie Tagesstätten leisten.

Jeder Fall müsse individuell geprüft werden, so Alzheimer Schweiz. «Die Anstellung von Angehörigen ist kein Patentrezept, das für alle möglich oder sinnvoll ist», erklärt Direktorin Stefanie Becker. «Insbesondere löst sie nicht das Problem der unzureichenden Finanzierung von Betreuungsleistungen, die neben der Pflege für die Lebensqualität von Menschen mit Demenz von grosser Bedeutung ist.»

Ohne Angehörige gehts nicht – auch bei psychischen Erkrankungen spielen Angehörige oft eine Doppelrolle, sind Freunde und Betreuerinnen gleichzeitig. Das kann zu einer grossen Belastung werden.

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