Die Rücktrittsankündigung von FDP-Präsidentin Petra Gössi (45) kam für viele unerwartet. Es war zwar absehbar, dass das Debakel vom Sonntag beim CO2-Gesetz eine Diskussion um die Zukunft der Schwyzerin an der Parteispitze entfachen würde. Doch Gössi liess eine regelrechte Bombe platzen, als sie am Montagmittag ankündigte, spätestens Ende Jahr zurückzutreten.
Pascal Couchepin (79) war derweil nicht überrascht. Ihn überrasche grundsätzlich nichts mehr, meint der alt FDP-Bundesrat am Telefon. Couchepin hatte Gössis Ökokurs öffentlich unterstützt. Vergangenes Wochenende bezeichnete er die Verdienste der Parteichefin in der «NZZ am Sonntag» gar als «historisch».
Gössi habe die ökologische Frage in die Partei getragen, «was schwierig und mutig war», so der einstige FDP-Fraktionschef. Wer sie aus dem Hinterhalt kritisiere, werde geringe Chancen haben, die Partei zu einen. «Und das ist jetzt wichtig», fand das «animal politique», der noch immer etwas Staatsmännisches verkörpert. Couchepin ist seiner FDP bis heute sehr verbunden geblieben. Auch familiär: Seine Tochter ist Stadtpräsidentin in seiner Heimat Martigny VS – wie er es einst ebenfalls war. Im Interview mit Blick erklärt der ewige Staatsmann, wie er den Entscheid Gössis und dessen Folgen für die Partei einschätzt.
Blick: Herr Couchepin, Sie haben Gössis Klimakurs unterstützt. Bedeutet ihr Rücktritt nun dessen Ende?
Pascal Couchepin: Mir scheint die ganze Debatte über die Flügelkämpfe bei den Freisinnigen künstlich aufgebauscht. Die FDP hat wie die anderen Parteien derzeit zwei Probleme: die Europa- und die Umweltpolitik. Beim Rahmenabkommen sind unsere beiden Bundesräte nicht der Parteilinie gefolgt. Das hat für Unruhe in der FDP gesorgt. Und was das CO2-Gesetz betrifft: Die Abstimmung war nicht so zentral für unsere Partei. Eine gewisse umweltpolitische Sensibilität wird sicher bestehen bleiben.
Gössi ist der Meinung, nun sei der beste Zeitpunkt, um zu gehen. Stimmen Sie ihr zu?
Ich glaube, jetzt ist es besser als in zehn Tagen. Und auch besser als vor zehn Tagen. Vor der CO2-Abstimmung wäre ihr der Rücktritt so ausgelegt worden, als sei sie dazu gedrängt worden. Fakt aber ist, dass sie ihren Entscheid schon vor einigen Wochen einigen wenigen Leuten mitgeteilt hat. Und im Hinblick auf die Wahlen 2023 wäre es in einem Jahr zu spät gewesen zu gehen. Aber klar, den richtigen Zeitpunkt für einen Rücktritt gibt es nie.
Wir finden, sie verlasse eine Partei, die tief in der Krise steckt.
Nochmals: Alle Parteien stehen derzeit vor Problemen. Die SP hat bei den Wahlen zugunsten der Grünen verloren, die Grünen selbst waren am Sonntag die grossen Verlierer. Und die SVP existiert nur, weil sie ständig Nein sagt. Das ist per se ein Problem. All das ist das Resultat der Zersplitterung der politischen Landschaft.
Die FDP ist aber in einer besonders verzwickten Lage: Sie droht zwischen SVP und GLP zerrieben zu werden. Was ist die Lösung?
Nun, man wird halt immer von lokalen Gegebenheiten beeinflusst. Hier in Martigny hat die FDP – wie seit 1848 üblich – gewonnen. Auch auf kantonaler Ebene haben die Freisinnigen im Wallis zugelegt. In Neuenburg holten die Liberalen in der Regierung wieder die Mehrheit, und bei den Grossratswahlen dieses Jahr blieben sie stärkste Kraft, in Solothurn ebenfalls. Ich sehe da durchaus auch Erfolge. Von aussen sieht es so aus, dass es in einigen Deutschschweizer Kantonen Probleme beim Zusammenhalt der Partei gibt. Um diese zu überwinden, braucht es Gemeinsinn für das Wohl der Partei.
Aus Zürich gäbe es einen potenziellen Kandidaten für die Nachfolge Gössis: Nationalrat Andri Silberschmidt. Er hat sich aber schon aus dem Rennen genommen – käme er mit seinen bloss 27 Jahren denn überhaupt in Frage?
Ach, die potenziellen Kandidaten tun jetzt ganz bescheiden. Das gehört zum Spiel. Aber da ist noch alles offen, würde ich sagen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich Herr Silberschmidt noch anders überlegt.
Was für eine Persönlichkeit braucht es nun an der Spitze der FDP?
Das kann ich so nicht sagen. Die Freisinnigen brauchen jetzt erst einmal eine Diskussion über die Zukunft der Partei und ihrer Ideen. Die Partei muss erkennen, wohin sie will. Und dann, mit wem sie das erreicht.
Ins Spiel gebracht wird von einigen auch eine Doppelspitze. Sehen Sie ein Co-Präsidium für die FDP?
Wenn die Partei das will, ist das schon eine Möglichkeit. Aber ein einzelner Präsident ist aus meiner Sicht die bessere Option.
Pascal Couchepin (79) war von 1998 bis 2009 Mitglied des Bundesrats. Der Walliser führt ein Leben für die Politik: Über ein Dutzend Jahre war er Stadtpräsident von Martigny VS, danach sass er fast 20 Jahre im Nationalrat und amtete für einige Zeit auch als FDP-Fraktionschef. Er lebt noch immer in Martigny.
Pascal Couchepin (79) war von 1998 bis 2009 Mitglied des Bundesrats. Der Walliser führt ein Leben für die Politik: Über ein Dutzend Jahre war er Stadtpräsident von Martigny VS, danach sass er fast 20 Jahre im Nationalrat und amtete für einige Zeit auch als FDP-Fraktionschef. Er lebt noch immer in Martigny.