Ja, Ja, Ja. Die Schweiz will. Sie will mehr Klimaschutz, eine neue Mindeststeuer für Konzerne und das Covid-Gesetz noch etwas länger behalten.
Am härtesten umkämpft war das Klimaschutz-Gesetz. Während die SVP von einem «Stromfresser-Gesetz» sprach und mit fragwürdigen Argumenten auf Stimmenfang ging, wollte das Ja-Komitee die Schlappe um das Nein zum CO₂-Gesetz vor zwei Jahren wiedergutmachen. Am Ende war das Verdikt klar: Das Volk stimmt dem Klimaschutzgesetz mit 59 Prozent zu. Mit dem neuen Gesetz gibt es unter anderem zusätzliche Fördermittel für den Heizungsaustausch.
«Der Abstimmungskampf der SVP war zu schrill»
Das Ergebnis erklärt Politologe Claude Longchamp (66) auch mit dem Abstimmungskampf. Die Nein-Kampagne sei überzeichnet gewesen und habe deshalb an Glaubwürdigkeit verloren. So seien unter anderem wissenschaftliche Studien falsch zitiert oder Zahlen aus dem Kontext gerissen worden. «Der Abstimmungskampf der SVP war zu schrill», sagt Longchamp.
Nach der Abstimmungsniederlage wettert die SVP dennoch weiter. «Wir haben jetzt das strengste Reduktionsgesetz der Welt!», sagt Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher (53). Bis in acht Jahren müsse die Schweiz ihre CO₂-Emissionen halbieren, sagt sie in der Elefantenrunde auf Blick TV. Dabei habe man nicht einmal die Winterstromlücke im Griff.
Bei den Befürwortern gibt man sich hingegen zufrieden. Mitte-Nationalrätin Priska Wismer (52): «Die Schweiz setzt auf Innovation und fördert den Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme.» Klar ist aber auch: Mit dem Klimaschutzgesetz ist es nicht getan. Aber auch die Energiesicherheit rückt wieder in den Vordergrund: Für Cédric Wermuth (37), Co-Präsident der SP, ist der Fall klar: «Wir brauchen mehr erneuerbare Energien.» FDP-Präsident Thierry Burkart (47) sagt in der Blick-Elefantenrunde dazu: «Wir brauchen von allem mehr. Ansonsten droht eine gigantische Stromlücke.» Deshalb will Burkhart die Debatte über AKWs neu lancieren.
Für Energieminister Albert Rösti war es ein spezieller Abstimmungskampf: Als SVP-Nationalrat hatte er noch geholfen, dass das Referendum gegen das Klimaschutz-Gesetz zustande kommt. Als Bundesrat musste er aber für ein Ja weibeln. Nun hat der Bundesrat gewonnen. Ist es auch ein persönlicher Sieg für ihn? Es sei ein Sieg für den Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments, über den er sich auch freue, sagt Rösti.
Für ihn ist klar: Das Ergebnis ist auch ein Ja zur Steigerung der inländischen Stromproduktion. «Wir müssen den Verbrauch von Erdöl, Benzin, & Erdgas stark reduzieren», sagt er und fordert mehr Stauseen, Solar- und Windparks.
Mindeststeuer kommt
Die OECD-Mindeststeuer wird mit 78,5 Prozent angenommen. Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro müssen mindestens 15 Prozent Steuern auf ihren Gewinn zahlen, Umstritten war dabei die Verteilung der Zusatzeinnahmen. Jetzt gehen 75 Prozent der Steuereinnahmen an die Kantone und der Rest an den Bund. Die SP hat sich dagegen gewehrt.
«Ich freue mich auf die Diskussion, die jetzt kommt», sagt SP-Wermuth. Er fürchtet sich, dass die neuen Steuererträge bei den Konzernzentralen landen. «Dank dem Entscheid heute bleibt das Geld in der Schweiz», freut sich FDP-Präsident Burkart. «Es ist klar, dass die Kantone das Geld wieder in den Standortwettbewerb investieren sollen.» Das käme auch der Bevölkerung zugute, sagt Burkart. «Es geht um eine Investition, dass der Standort Schweiz wettbewerbsfähig und der Wohlstand erhalten bleibt.»
Finanzministerin Karin Keller-Sutter sieht im deutlichen Ja ein Zeichen des Vertrauens in Bund und Kantone. Die neue Steuer wird per Verordnung am 1. Januar 2024 eingeführt. Keller-Sutter weist darauf hin, dass der Bundesrat sechs Jahre nach dem Start der Verordnung ein Gesetz vorlegen muss, das die Verordnung ersetzt. «Wir wissen dann besser, wie viele zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden können.» Die Bevölkerung hätte aber im Wissen um die Verteilung der Gelder heute mit grosser Mehrheit «Ja» gesagt.
Covid-Gesetz bleibt
Auch das Covid-Gesetz hat zum dritten Mal eine Mehrheit gefunden, dieses Mal mit 61,9 Prozent. Das Gesetz erlaubt es dem Bundesrat, bestimmte Massnahmen wie das Covid-Gesetz zu ergreifen, um im Notfall die Bevölkerung und das Gesundheitssystem zu schützen. Die SVP hat das Referendum unterstützt. «Wir werden den Bundesrat in die Pflicht nehmen, dass er die Vollmacht nicht ausnutzt», sagt Martullo–Blocher.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) sieht einen deutlichen Vertrauensbeweis in die Institutionen. «Wir sind das einzige Land, dass jetzt drei Mal über die Notgesetzgebung abstimmen konnte.» Er hofft, dass das Gesetz nicht mehr gebraucht wird. (bro/beb/sf)