Alle bisherigen Versuche sind gescheitert
Gratis-ÖV in Frankreich – und warum wir es nicht hinkriegen

In Montpellier (F) kann man seit Weihnachten kostenlos Tram und Bus fahren. Auch andernorts in Europa. Wie steht es um den Gratis-ÖV in der Schweiz? Spoiler: nicht so gut.
Publiziert: 23.05.2024 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2024 um 10:52 Uhr
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Seit vergangenem Dezember fahren die Einwohner von Montpellier gratis mit dem öffentlichen Verkehr. Die ÖV-Nutzung hat um gut ein Viertel zugenommen.
Foto: Sylvain Thomas/ AFP
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Lea Oetiker
Beobachter

Wer im französischen Montpellier lebt, fährt seit Dezember 2023 gratis mit dem öffentlichen Verkehr. Mit rund 500'000 Einwohnerinnen ist es bisher die grösste Stadt Europas, die ihren Nahverkehr kostenlos macht. Und das mit Erfolg: Die ÖV-Nutzung hat um gut ein Viertel zugenommen, schreibt der «Tages-Anzeiger». Die Stadt finanziert das Projekt durch zusätzliche Einnahmen aus der Mobilitätssteuer für Firmen. In dem Topf ist mehr als genug Geld, weil in den letzten Jahren viele neue Unternehmen zugezogen sind.

Busse in Luxemburg und Malta bereits gratis

Auch in Tallinn, Hauptstadt von Estland, können Bürgerinnen und Bürger seit 2013 den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen. 2018 führte die nordfranzösische Stadt Dünkirchen den Gratis-Nahverkehr ein. Weitere Städte und Gemeinden in Europa folgten. 2020 war Luxemburg das erste Land der Welt, das den gesamten öffentlichen Verkehr kostenfrei machte. 2022 folgte Malta; die Bewohnerinnen des Landes fahren umsonst Bus.

Bundesverfassung verpflichtet Nutzerinnen zum Zahlen

Und was ist mit der Schweiz? Hierzulande wurden alle Initiativen zum Gratis-ÖV entweder vom Parlament oder bei einer Volksabstimmung abgelehnt. Zum Beispiel in Zürich, Bern, Basel und Genf. In den letzten drei Jahren wurden die Initiativen immer wieder für ungültig erklärt. Der Grund: Eine freie Fahrt auf allen Linien sei nicht vereinbar mit der Bundesverfassung. Dort steht nämlich, dass Benutzerinnen und Benutzer die Kosten des öffentlichen Verkehrs angemessen übernehmen müssen. Auch im Kanton Freiburg gab es 2020 eine kantonale Volksinitiative zum Gratis-ÖV. Der Grosse Rat erklärte sie ebenfalls für ungültig. Das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid. Die Initiative sei nicht vereinbar mit dem übergeordneten Recht.

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Waadt krebste zurück

Im Kanton Waadt hingegen wurde die Initiative 2021 für gültig erklärt, und es hätte zu einer Abstimmung kommen sollen. Der Kanton verwies auf das Prinzip in dubio pro populo, im Zweifel für das Volk. Dieser Grundsatz besagt, dass eine Initiative nur dann für ungültig erklärt werden sollte, wenn sie zweifelsfrei gegen höherrangiges Recht verstösst. Der Waadtländer Staatsrat kam zum Schluss, dass dies beim Gratis-ÖV nicht der Fall sei. Im entsprechenden Beschluss begründet er das mit dem Bundesgesetz über die Personenbeförderung. Es erlaubt Kantonen und Gemeinden, im öffentlichen Verkehr Tarifvergünstigungen zu verfügen, sofern sie die Kosten dafür übernehmen. Der Entscheid wurde später jedoch widerrufen. Grund dafür: das negative Ergebnis in Freiburg.

Kantone berufen sich auf Negativbeispiel

Im Kanton Neuenburg wurde die Initiative 2018 ebenfalls für gültig erklärt. Mittlerweile wird dieser Entscheid aber nochmals überprüft. Grund dafür ist ebenfalls der negative Entscheid in Freiburg. Auf Anfrage des «Beobachters» schreibt die Staatskanzlei Neuenburg: «Nach dem Entscheid des Bundesgerichts, die Freiburger Initiative für kostenlose ÖV für ungültig zu erklären, arbeitet die parlamentarische Kommission des Kantons Neuenburg an dem Thema Gratis-ÖV.» Ein Entwurf sei jedoch noch nicht an den Grossen Rat weitergeleitet worden.

In Luzern erhalten Kinder und Jugendliche einen Gutschein

Aktuell sieht es also nicht so aus, dass in der Schweiz der ÖV kostenlos wird. Aber: Es gab immer wieder Bestrebungen, den ÖV für Kinder gratis zu machen. Das widerspricht der Bundesverfassung nämlich nicht. So erhalten zum Beispiel Kinder und Jugendliche (zwischen 6 und 16 Jahren) in Luzern seit dem Sommer 2021 einen Gutschein im Wert von 300 Franken für den ÖV. Der Stadtrat will damit die Familien finanziell entlasten.

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