Der Zugang zu Gebäuden, Wohnungen, Einrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln muss für gehbehinderte Menschen ohne erschwerende Bedingungen möglich sein. So steht es im Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes von 2004. Für Zug, Tram und Bus gilt eine Übergangsfrist von 20 Jahren. Das bedeutet eigentlich, dass ab diesem Januar alle ÖV-Haltestellen etwa für Menschen mit Rollstuhl passierbar sein müssen.
Doch jede dritte Bushaltestelle im Kanton Zürich ist auch heute noch nicht rollstuhlgängig. Da haben auch 20 Jahre Übergangszeit offenbar nicht gereicht.
Fahrdienst als Notlösung
Als einzige praktikable Lösung führt der Kanton Zürich deshalb ab Anfang Jahr Ersatzfahrdienste ein, wie die Regierung im Frühling bekannt. Wer in seiner Mobilität eingeschränkt ist, kann, falls der selbständige Zugang zum ÖV unmöglich ist, ab kommendem Jahr einen Autotransport zur nächsten hindernisfreien Haltestelle oder zum nächsten Bahnhof aufbieten. Für Reisen mit dem Shuttle-Fahrdienst reicht ein reguläres ÖV-Ticket.
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Doch diese Massnahme allein reicht den beiden Zürcher SP-Politikern Islam Alijaj (37) und Anna Graff (25) nicht. Sie forderten den Stadtrat auf, dass er prüft, wie für Menschen mit Behinderung die ÖV-Kosten auf dem Gebiet der Stadt Zürich (Zone 110) durch städtische Beiträge übernommen werden können.
Dies so lange, bis der städtische ÖV gemäss Behindertengleichstellungsgesetz komplett barrierefrei zugänglich ist. Diese Woche hat der Zürcher Gemeinderat das Postulat überwiesen. Nun muss die Stadt Zürich prüfen, wie sie das umsetzt.
«Bin schon bereit zu zahlen, aber..»
«Damit wollen wir vor allem Druck ausüben, dass es vorwärtsgeht mit der Umsetzung der Barrierefreiheit im ÖV», so Alijaj, der inzwischen auch Nationalrat ist. Er sei durchaus bereit für den ÖV zu zahlen, «aber nicht, wenn ich ihn nicht nutzen kann», sagt Alijaj, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Zürich ist allerdings leider nicht eine unschöne Ausnahme. Erst 60 Prozent der Bahnhöfe in der Schweiz sind Ende dieses Jahr für Menschen mit Behinderungen nutzbar. Im öffentlichen Verkehr werden Ende dieses Jahres etwa ein Drittel der schweizweit gut 23'000 Bus- und Tramhaltestellen den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes entsprechen. Das teilten der Verband öffentlicher Verkehr (VöV), Schweizerischer Städte-, Schweizerischer Gemeindeverband im November mit. Dass es damit nicht vollständig geklappt hat, führen VöV und die Gemeinwesen der öffentlichen Hand auf hohe Kosten für bauliche Anpassungen zurück.