Ärzteregister versagen, wenn es um Bewilligungen geht
Übergriffige Ärzte praktizieren weiter

Dem Arzt, der seine Villa am Zürichberg anzündete, war längst die Bewilligung entzogen worden. Im genau dafür geschaffenen öffentlichen Register nicht ersichtlich – und er ist nicht der einzige. Der Krankenkassenvergleichsdienst Comparis schlägt nun Alarm.
Publiziert: 11.06.2021 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2021 um 08:54 Uhr
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Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Ärzte haben sich nichts zu Schulden kommen lassen.
Foto: Keystone
Gianna Blum

Der Fall endete tragisch – und sorgte schweizweit für Schlagzeilen: Ein hochverschuldeter Arzt zündete seine Villa am Zürichberg an und richtete sich selbst. Noch am Tag zuvor hatte er laut «20 Minuten» Patienten und Patientinnen behandelt. Und das, obwohl dem 65-jährigen Herzspezialisten längst die Bewilligung zur Ausübung seines Berufs entzogen worden war. Seine Patienten wussten davon nichts.

Dabei gibt es seit 2018 eigentlich ein öffentliches Register, das Medreg, in dem vermerkt sein muss, ob ein Arzt oder eine Ärztin eine Bewilligung für Arbeit «in eigener fachlicher Verantwortung» hat – also selbständig praktizieren darf. Wird diese entzogen, muss das inklusive Datum ebenfalls im Register stehen. So will es das Gesetz – zum Schutz der Patienten.

Nur: Beim Zürcher Kardiologen heisst es bei der Bewilligung: «Keine Angabe». Und das, obwohl der Mann von der Zürcher Gesundheitsdirektion sogar angezeigt wurde, weil er trotz Entzug praktizierte.

Trotz entzogener Bewilligung noch am Behandeln

Aufgefallen ist das dem Vergleichsdienst Comparis, der seit einigen Monaten eine aufs Medreg abgestützte schwarze Liste führt. Als der Arzt dort nicht auftauchte, wurde man hellhörig und machte sich auf die Suche nach weiteren Fällen – und wurde fündig.

So fand Comparis etwa einen Arzt, der wegen Schändung verurteilt wurde: Er begrapschte eine Patientin unter Narkose, seine Verurteilung wurde gar vom Bundesgericht bestätigt. Ein anderer führte bei einer jungen Frau, die wegen eines Schnupfens in die Praxis kam, eine Vaginaluntersuchung durch. Letzterer arbeitete laut dem «Zürcher Unterländer» nach dem Urteil noch monatelang als Hausarzt weiter, wenn auch unter Auflagen: Er durfte keine Frauen mehr behandeln.

Beiden müsste die Bewilligung entzogen worden sein – bei beiden heisst es im Medreg: «Keine Angabe». Comparis fand insgesamt zehn solcher Fälle, der Grossteil praktiziere weiterhin. Womöglich auch als Angestellte, denn das geht auch ohne Bewilligung.

Nur die Patienten haben keine Ahnung. Comparis wirft dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und den für die Register zuständigen Kantonen vor, ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachzukommen. «Keine Angabe» deute auf keine Informationen hin – und das «grenzt an Irreführung», so Gesundheitsexperte Felix Schneuwly.

Im Zweifelsfall nachfragen

Doppelt verwirrend wird die Sache, weil beim BAG Links auf zwei Register zu finden sind: Neben dem Medreg gibt es noch das Medregom. Und wo es beim ersten «keine Angabe» heisst, steht im Medregom korrekterweise «keine Bewilligung».

Beim BAG heisst es, es handle sich um dasselbe Register, wobei eine Version etwas aktueller sei – nächstes Jahr sollen beide zusammengelegt werden. Die Daten aber seien identisch, es handle sich einfach um eine unterschiedliche Formulierung. Schneuwly hat dafür gar kein Verständnis. «Das stiftet bloss Verwirrung», kritisiert er. Und: «Die Aktualität und Vollständigkeit der Angaben ist in beiden Registern ungenügend.»

Ob nämlich keine Bewilligung vorliegt, oder ob die Bewilligung entzogen worden ist, kann ein gewaltiger Unterschied sein. Schon bei «keiner Bewilligung» sollte man als Patient hellhörig werden, sagt Daniel Tapernoux von der Schweizer Patientenorganisation (SPO). Wenn diese fehlt, könne es Ärger mit der Krankenkasse geben, die in diesen Fällen oft die Rechnung nicht übernimmt. Auch er kritisiert die zwei Register als «nicht sehr benutzerfreundlich».

Bei Entzug wirds gefährlich

Richtig misstrauisch sollte man werden, wenn beim Arzt von einem Bewilligungsentzug die Rede ist. Das kommt mit weniger als 100 Fällen schweizweit selten vor, denn dafür braucht es einen guten Grund, etwa Belästigung, grobe Behandlungsfehler oder veruntreute Gelder. Doch nicht einmal bei einem Arzt, der vor Bundesgericht wegen Schändung verurteilt worden ist, findet sich im Medreg einen Hinweis darauf.

Der Grund dafür ist laut dem Kanton Zürich, dass das Bundesgerichtsurteil eben nicht die kantonale Bewilligung betraf. Soll heissen: Solange ein Verfahren wegen des Entzugs noch läuft oder dieser noch nicht in Kraft ist, wird er auch nicht eingetragen. Und solange im Register ersichtlich sei, dass keine Bewilligung vorliege, sei auch dem Patientenschutz Rechnung getragen. Und auch der Eidgenössische Datenschutz stimmt zu, dass einzig das die wesentliche Information sei.

Für Schneuwly von Comparis gefährdet das die öffentliche Gesundheit. «Die Patientinnen und Patienten müssen über die Bewilligungsentzüge Bescheid wissen», kritisiert er. «Sonst riskieren sie, beim falschen Arzt zu landen.» Comparis überlegt sich nun, die eigene schwarze Liste zumindest ganz aufs Medregom abzustützen, das immerhin die klarere Formulierung nutzt und in dem mehr Ärzte ohne Bewilligung auftauchen.

Bewilligungswesen mit Lücken

Wenn ein Arzt oder eine Ärztin die Berufsausübungsbewilligung verliert, ist das noch längst kein Arbeitsverbot. Als Angestellte können die Betroffenen problemlos weiterarbeiten. Besonders heikel: Während ein Berufsausübungsverbot einen Arzt national sperrt, gilt ein Bewilligungsentzug nur kantonal. Ein Arzt kann also völlig legal den Kanton wechseln und dort erneut eine Bewilligung beantragen. Und so gibt es immer wieder Mediziner, die problemlos in anderen Kantonen praktizieren.

Im Parlament ist dies schon Thema geworden. Auf eine entsprechende Nachfrage von alt Nationalrätin Bea Heim zeigte die Landesregierung gar ein gewisses Verständnis für die Forderung, dass die Bewilligungsentzüge national gelten sollen. Allerdings: Beim strengeren Mittel der Verbote müssten die Kantone einander informieren, daher sei eine nationale Regelung nicht angezeigt. Zudem liege es in der Verantwortung der Kantone, sicherzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte ohne Bewilligung nicht weiter praktizieren.

Wenn ein Arzt oder eine Ärztin die Berufsausübungsbewilligung verliert, ist das noch längst kein Arbeitsverbot. Als Angestellte können die Betroffenen problemlos weiterarbeiten. Besonders heikel: Während ein Berufsausübungsverbot einen Arzt national sperrt, gilt ein Bewilligungsentzug nur kantonal. Ein Arzt kann also völlig legal den Kanton wechseln und dort erneut eine Bewilligung beantragen. Und so gibt es immer wieder Mediziner, die problemlos in anderen Kantonen praktizieren.

Im Parlament ist dies schon Thema geworden. Auf eine entsprechende Nachfrage von alt Nationalrätin Bea Heim zeigte die Landesregierung gar ein gewisses Verständnis für die Forderung, dass die Bewilligungsentzüge national gelten sollen. Allerdings: Beim strengeren Mittel der Verbote müssten die Kantone einander informieren, daher sei eine nationale Regelung nicht angezeigt. Zudem liege es in der Verantwortung der Kantone, sicherzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte ohne Bewilligung nicht weiter praktizieren.



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