Der Austragungsort ist passend: Der Gemeindesaal des zürcherischen Niederweningen befindet sich im Feuerwehrgebäude. Dort findet in zwei Wochen nämlich eine Art «Feuerwehrübung» statt, also eine ausserordentliche Gemeindeversammlung (GV).
Vor dem offerierten Apéro steht ganze 14 Mal «Kreditabrechnung» auf der Traktandenliste. Dabei handelt es sich keineswegs um dieselbe Abrechnung, die fälschlicherweise mehrfach aufgeführt wurde. Sondern hier findet sich mal eine Abrechnung für den Ersatz der Wasserleitung beim Hüsliweg-Urbligsteig, mal für den «Erneuerungsunterhalt» des örtlichen Friedhofs. Keine grossen Sachen eigentlich.
Einfach freigegeben
Doch genau das ist der Punkt. Der Gemeinderat von Niederweningen ZH durfte in der Vergangenheit nur Kredite bis 50'000 Franken in Eigenregie sprechen. Die Wasserleitung am Hüsliweg bis zum Urbligsteig kostete aber 117'412.20 Franken. Die Rechnungsprüfungskommission (RPK) bemängelt, «ein eigentlicher Kreditbetrag wurde nicht bewilligt». Der Gemeinderat hatte im Juli 2016 einfach beschlossen, dass der nötige Kredit vom Konto sowieso freigegeben werde.
Weitere 26 Kredite hatte die RPK bei der Prüfung der Jahresrechnung 2021 beanstandet. Darunter auch die Erneuerung des Friedhofs, die insgesamt 125'202 Franken kostete. Auch hier wurde faktisch nie ein Kredit bewilligt. Sondern es wurde ebenfalls in der Investitionsrechnung 2020 der vorgesehene Betrag von 110'000 Franken freigegeben. Hinzu kam dann halt noch eine Budgetüberschreitung von rund 15'000 Franken.
Wohlgemerkt: Es hat sich damit niemand in der Gemeinde bereichert. Und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Gemeindeversammlung die Kredite durchgewunken hätte. Nur formal korrekt waren die Kreditentscheide halt nicht.
«Missfallensbekundung»
Was würde nun geschehen, wenn die Gemeindeversammlung (GV) am 21. November Nein sagt zu einer der Kreditabrechnungen? Nichts! «Ja, es ist so, dass eine Ablehnung einer Kreditabrechnung an der GV keine Auswirkungen hätte», bestätigt der Gemeindepräsident Mark Staub. Die Bauarbeiten seien ja jeweils schon ausgeführt und das Geld bereits ausgegeben worden. «Es wäre somit nur noch eine Missfallensbekundung», so Staub, der noch nicht Gemeindepräsident war, als die RPK in 27 Fällen die Kreditentscheide bemängelte.
Was ein wenig nach einem Schildbürgerstreich klingt, ist keiner. Schilda liegt doch nicht im Kanton Zürich. Aber um das Geschehene wieder einigermassen geradezubiegen, hat das Gemeindeamt des Kantons Zürich Niederweningen im Juli mitgeteilt, dass zwar bei einem Teil der bemängelten Kredite bereits Rechtskraft erwachsen sei, doch «die noch verbleibenden 14 Kredite hätten wir vor die Gemeindeversammlung zu bringen, was wir nun tun», erklärt der Gemeindepräsident das Vorgehen.
Zuvor niemand bemängelt?
Somit alles klar? Nicht ganz. Staub sass bereits als Vizepräsident im Gemeinderat, als die formal unkorrekten 27 Kreditbeschlüsse bemängelt wurden. Er hält fest: «Niemand, keine einzige Stelle, weder die Rechnungsprüfungskommission, noch die externe Kontrollstelle oder sonst jemand hatte den Gemeinderat zuvor darauf aufmerksam gemacht, dass die Kreditbeschlüsse formal nicht ganz korrekt abliefen. Erst im zweiten Quartal 2022 bemängelte das die RPK.»
In den Unterlagen zur ausserordentlichen Gemeindeversammlung von Niederweningen steht jedoch: «Die Rechnungsprüfungskommission hatte bereits die Kreditbewilligungen des Gemeinderats ausserhalb seiner Finanzkompetenz in der Amtsperiode 2018 bis 2022 mehrfach gerügt.»
So oder so: Weil der Gemeinderat von Niederweningen inzwischen einen viermal höheren Betrag in Eigenregie vergeben darf, ist in der 3000-Seelen-Gemeinde selbst bei einem opulenten Apéro nicht davon auszugehen, dass der Gemeinderat den Kreditrahmen mit den Gratishäppli an der GV erneut sprengt.