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Die Alters-Wohngemeinschaft
Wo Senioren mehr leben als wohnen

Das Ehepaar Pia (68) und Peter Ott (75) ist vor drei Jahren aus ihrem Haus gezogen und hat im Gemeinschaftshof in Niederweningen ZH ein neues Zuhause gefunden – zusammen mit dreizehn weiteren Senioren aus dem Wehntal.
Publiziert: 27.05.2019 um 08:03 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2019 um 11:49 Uhr
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Pia und Peter Ott auf dem Balkon ihrer Wohnung. Sie geniessen das Leben im Gemeinschaftshof.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

Auf dem Esstisch in der offenen Wohnküche der modernen Dreieinhalbzimmerwohnung steht ein bunter Blumenstrauss. Frisch gepflückt im Garten des Gemeinschaftshofs. In diesem ehemaligen Bauernhaus ist das Ehepaar Ott vor rund drei Jahren in eine Dachwohnung mit grossem Balkon eingezogen. Unter dem gleichen Dach, auf drei Stockwerken verteilt, wohnen noch dreizehn weitere ältere Einzelpersonen. Alle dieser Ü60 haben im Hof ihre eigene Wohnung, teilen sich aber Gemeinschaftsräume, wie eine grosse Küche, Bastel- und Hobbyräume, zwei Waschküchen und einen Sitzplatz im grossen Garten mit Grillstelle.

«Wir wollten alles regeln, solange wir das noch selbständig können, und haben uns darum entschlossen, aus unserem grossen Haus auszuziehen», erklärt Pia und serviert Kaffee. Ein Altersheim war keine Option für das Ehepaar. Das Projekt Gemeinschaftshof, eine geplante Wohngemeinschaft mit altersgerechten Wohnungen in einem ehemaligen Bauernhaus, für Bewohner der Gemeinde oder dem Wehntal, das klang für Otts verlockend.

Jeder kann, keiner muss

«Das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten», sagt die 68-Jährige und reicht Bretzeli. «Die hat Hilda gebacken. Sie kann super backen und bringt auch jeden Sonntag den Zopf zum Sonntagsbrunch mit», so Pia Ott über eine Mitbewohnerin im Gemeinschaftshof. Meistens nehmen Otts an den gemeinsamen Brunchs teil und sind auch am wöchentlichen Mittagstisch im Gemeinschaftshof dabei. «Hier kann bei allen Aktivitäten und Anlässen jeder mitmachen und seine Fähigkeiten einbringen, aber keiner muss etwas tun», sagt Peter Ott. Von Gartenarbeiten hat er genug. «Das habe ich jahrelang in unserem alten Haus gemacht.»

Auch seine Ehefrau ist eher weniger im Garten am Arbeiten. «Hier geniesse ich den Garten vorwiegend. Ich koche aber gern, und darum koche ich immer mal wieder für den gemeinsamen Mittagstisch.» Der Mittagstisch im Gemeinschaftshof an zentraler Lage steht allen Dorfbewohnern auf Voranmeldung offen. Teil des Betriebskonzepts ist es auch, dass die Bewohnerinnen und Bewohner weiter Teil der Dorfgemeinschaft sind und der Gemeinschaftshof generationsübergreifend genutzt werden kann. Das kann zuweilen laut und turbulent werden, wie sich beim Rundgang im Aufenthaltsraum im Erdgeschoss zeigt.

Kleine Besucher und neue Freundschaften

Wie jeden Mittwochmorgen wird beim Pünktli-Träff getobt, gebaut, gemalt und gelacht. Junge Eltern und Kindern aus dem Dorf, zum Teil auch Enkel der Hausbewohner, treffen sich hier regelmässig mit ihren Kindern für Spiel und Spass. Bei geschlossener Tür ist vom Kinderlärm im restlichen Haus und den Wohnungen nichts zu hören. Auch im lauschigen Garten nimmt man nichts ausser das Rauschen des Bachs und Vogelgezwitscher wahr.

Hilda Bachmann holt sich aus dem Hochbeet frischen Salat für ihr Mittagessen. Die ehemalige Bäuerin gehört zu den ersten Bewohnerinnen im Gemeinschaftshof. Sie pflanzt und hegt und pflegt im Garten Rüben, Randen, Beeren und Früchte, wenn sie nicht gerade am Backen ist. Mitbewohner Arthur Heusser gesellt sich im Garten spontan zu Pia und Peter Ott.

Er hat seine Zweizimmerwohnung direkt neben den Otts. So lang als möglich hat er seine kranke Ehefrau im eigenen Haus betreut, bis er im nahen Altersheim für sie einen geeigneten Pflegeplatz fand. «Meine erwachsenen Kinder haben mich ermuntert, mich im Gemeinschaftshof anzumelden», sagt der ehemalige Elektroingenieur.

Von seinen neuen Mitbewohnerinnen und Bewohner hat er vor dem Bezug niemanden gekannt. Inzwischen haben sich aber einige enge Männerfreundschaften ergeben. Gemeinsam fahren sie regelmässig ins Schwimmbad. «Trio Infernale nennt man uns», sagt der 80-jährige Rentner lachend.

Nachbarschaftshilfe und Fahrgemeinschaften

Insbesondere Fahrgemeinschaften bilden sich unter den Bewohnern häufig. Ein Wagen fährt vor den Eingang. Ein Bewohner hat eine Mitbewohnerin zum Arzt gefahren und bringt sie nach Hause. Auch Pia Ott fährt im Gegensatz zu ihrem Ehemann noch Auto. Zu grösseren Einkäufen nach Dielsdorf nimmt sie immer wieder Mitbewohnerinnen mit. «Auf Whatsapp haben wir einen Gruppenchat. So können wir uns gegenseitig informieren oder schicken uns manchmal auch lustige Videos oder Bilder», sagt Pia Ott und zeigt lachend ihr Handy. «Wir sind nicht ganz altmodisch und kennen uns schon noch etwas aus.» So wissen alle im Gemeinschaftshof auch immer, wo gerade Hilfe oder Unterstützung bei den Mitbewohnern gefragt ist.

Jeder hat auch einen Wohnungsschlüssel von mindestens einem Nachbarn für allfällige Notfälle, zum Giessen der Pflanzen oder zum Füttern der Katze, wenn die teilweise sehr aktiven Senioren auf Reisen sind. Aber nicht alle sind noch so fit wie Pia und Peter Ott. Sie gehören zu den jüngeren Hausbewohnern. «Im Moment können wir der Gemeinschaft hier noch viel geben und tun das auch gern. Das kann sich aber mit der Zeit ändern. Geben fällt mir leichter als Nehmen», sagt Peter Ott.

Auf eine gute Durchmischung wird bei der Auswahl der Mieter geachtet. Bei Bedarf kommt die Spitex ins Haus, grundsätzlich müssen die Bewohner im Gemeinschaftshof aber noch in der Lage sein, ihren Alltag selber zu bewältigen. Pia Ott: «Es war eine super Entscheidung, hier einzuziehen. Jeder nimmt hier den anderen so, wie er ist.» Ehemann Peter ergänzt: «Solange wir niemandem zur Last fallen, können und wollen wir hier bleiben.» Verständlich, denn im Gemeinschaftshof wird im fortgeschrittenen Alter nochmals in vollen Zügen gelebt und nicht nur gewohnt.

Wohnen im Alter

Die Genossenschaft Gemeinschaftshof Niederweningen gilt schweizweit als eines der Vorzeigeprojekte bei Gemeinden für Wohnen im Alter. Ziel ist es, Menschen aus der Region in der dritten Lebensphase ein aktives Leben und Wohnen in der Dorfmitte zu ermöglichen. Gleichzeitig soll es ein Treffpunkt für die Bewohner und die Dorfbevölkerung sein. Eine der treibenden Kräfte hinter diesem Alterswohnkonzept ist der ehemalige Banker und Jurist Urs Bürchler aus Niederweningen.

Die anfängliche Aktiengesellschaft mit Beteiligung der Gemeinde in Form eines zinslosen Darlehens, wurde später zur Genossenschaft mit Anteilscheinen umgewandelt. «Wir sind bei der Gemeinde von Anfang mit unserer Idee für den Gemeinschaftshof auf Interesse und Wohlwollen gestossen», erklärt Urs Bürchler. Die Wohnungen konnten nach dem Umbau auch problemlos vermietet werden und sind derzeit alle vermietet.

Die Genossenschaft Gemeinschaftshof Niederweningen gilt schweizweit als eines der Vorzeigeprojekte bei Gemeinden für Wohnen im Alter. Ziel ist es, Menschen aus der Region in der dritten Lebensphase ein aktives Leben und Wohnen in der Dorfmitte zu ermöglichen. Gleichzeitig soll es ein Treffpunkt für die Bewohner und die Dorfbevölkerung sein. Eine der treibenden Kräfte hinter diesem Alterswohnkonzept ist der ehemalige Banker und Jurist Urs Bürchler aus Niederweningen.

Die anfängliche Aktiengesellschaft mit Beteiligung der Gemeinde in Form eines zinslosen Darlehens, wurde später zur Genossenschaft mit Anteilscheinen umgewandelt. «Wir sind bei der Gemeinde von Anfang mit unserer Idee für den Gemeinschaftshof auf Interesse und Wohlwollen gestossen», erklärt Urs Bürchler. Die Wohnungen konnten nach dem Umbau auch problemlos vermietet werden und sind derzeit alle vermietet.

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