Wer hat nicht, in langweiligen Momenten, schon einmal die Fantasie gehabt, ein anderer solle doch bitte an eigener Stelle das Leben weiterleben, während man selbst, fern aller Verpflichtungen, ein völlig neues Leben beginnt? Murot (Ulrich Tukur) plant eigentlich nur Kurzferien, und sitzt, frisch angekommen, friedlich im Restaurant vor seinem Weisswein, als ihm eine sehr pampige Bedienung eine Schweinshaxe oder ein Eisbein oder Ähnliches vor die Nase knallt, «Dasselbe wie immer» ätzt und sofort wieder abhaut.
Erst besoffen, dann tot
Worauf sich Murot auf die Suche nach dem rechtmässigen Besteller des Fleischbergs macht – und auf sich selber trifft. Allerdings, und so wird auch die Pampigkeit der Bedienung klar, auf eine unangenehm laute, äusserst unsympathische, grossspurige, geradezu vulgäre Version seiner selbst. Es folgt ein Besäufnis mit dem Doppelgänger, der Murot in sein Haus einlädt – wo der Kommissar besoffen einschläft. Am nächsten Morgen ist der Doppelgänger tot – Fahrerflucht – und Murot findet sich in einem Leben als Autohändler, Ehemann einer wunderschönen, aber sehr labilen Frau und als Nachbar mit seltsamen geschäftlichen Verstrickungen wieder.
Doppeltes Lottchen für Grosse
Tukur-«Tatorte» sind ja oft kleine (bis grosse) Kunstwerke, die oftmals nur am Rande etwas mit klassischem Krimi zu tun haben. Sehenswert sind sie aber allemal. So ist Tukur als Kommissar Murot auch in dieser Erwachsenen-Version des Kästner-Klassikers «Das doppelte Lottchen» grandios – auch wenn man die vulgäre Autohändlerversion für rund zehn Minuten aushalten muss. Es lohnt sich.
«Tatort»: «Die Ferien des Monsieur Murot», SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Vier von fünf