«Tagesschau»-Absage wegen Rassismus
0:52
Vor 15 Jahren:SRF wollte Angélique Beldner wegen Rassismus nicht

SRF-Moderatorin Angélique Beldner blieb ihr Job vor 15 Jahren noch verwehrt
«Tagesschau»-Absage wegen Rassismus

Angélique Beldner gehört zu den strahlenden Aushängeschildern von SRF. Was man im TV nicht sieht: Immer wieder wird sie mit Rassismus konfrontiert.
Publiziert: 21.10.2020 um 22:46 Uhr
|
Aktualisiert: 26.11.2020 um 19:56 Uhr
1/10
Vor 15 Jahren wäre das – zumindest für viele Entscheidungsträger – noch undenkbar gewesen: Regelmässig steht Angélique Beldner heute als «Tagesschau»-Moderatorin vor der Kamera.
Foto: SRF
Remo Bernet

Angélique Beldner (44) ist die erste schwarze Newsmoderatorin bei SRF. Ihre Hautfarbe wollte sie eigentlich nie zum Thema machen. Warum sie es jetzt trotzdem macht? Der vergangene Sommer habe ihr Leben verändert, sagt sie in der SRF-Sendung «Reporter».

Über all die Jahre habe sie sich eine Strategie zurechtgelegt, die ihr möglichst nicht weh tue. Sie habe das Thema nicht nur nicht angesprochen, sondern rassistische Aussagen gar entschuldigt, indem sie sich sagte, es sei sicher nicht böse gemeint. Doch die Diskussionen rund um die «Black Lives Matter»-Bewegung hätten ihr gezeigt, dass dies nicht der richtige Weg sei. «Ich war viel zu lange viel zu nett. Das ist etwas, was sich in diesem Sommer geändert hat – dass ich finde, das muss jetzt aufhören», sagt die «Tagesschau»- und «1 gegen 100»-Moderatorin.

Bemerkungen haben sich gewandelt

In ihrem Alltag sieht sich Beldner immer wieder mit Rassismus konfrontiert. «Noch heute fassen mir Leute in die Haare, weil sie schauen wollen, wie sich das anfühlt – so Chruslä», sagt sie. Als «Schoggi» werde sie nicht mehr bezeichnet. Heute würden Begriffe wie «Latte Macchiato» oder «Café Mélange» verwendet.

Rassismus begegnet dem SRF-Aushängeschild aber auch bei der Arbeit. Denn bis heute gibt es Leute, die ein Problem mit Beldners Hautfarbe haben. «Das sind die, die beispielsweise schreiben: ‹Es reicht langsam mit der Vernegerung!› Und dann gibt es auch solche, die negativ sind, bei denen ich aber nicht sicher sagen kann, dass es etwas mit Rassismus zu tun hat. Zum Beispiel eine Frau, die schreibt, ich könne das WC putzen gehen, dafür sei ich gut genug – und sonst für gar nichts.»

Locken mussten versteckt werden

Kritisch ist sie auch, wenn sie über ihre erste Moderation bei der «Tagesschau am Mittag» spricht: Damals musste sie ihre Haare zusammenbinden, damit man ihre natürlichen Locken nicht sah – weil diese im Licht nicht gut aussehen würden.

SRF-Chef-Stylistin Tatjana Kotoric erklärt, sich damals für einen Look entschieden zu haben, «der zu News passt, also elegant und ausdrucksstark ist». Haare wie auch Kleider sollten nicht zu sehr vom Inhalt ablenken. Solche strengen Richtlinien würden aber der Vergangenheit angehören. Beldner ist mittlerweile regelmässig mit offenen Haaren im TV zu sehen.

Absage wegen Herkunft

Dass sie überhaupt beim SRF moderieren würde, hätte sich die zweifache Mutter vor einigen Jahren nicht gedacht. «Das erste Mal beworben habe ich mich bei der ‹Tagesschau› vor 15 Jahren. Damals sagte man mir, die Schweiz sei noch nicht parat für eine dunkelhäutige Moderatorin.» Auch den heutigen TV-Chefredaktor Tristan Brenn (54) schockiert diese Story. Er könne das fast nicht glauben. «Selbst wenn man in diesem Haus das Gefühl hatte, es könnten gewisse Leute Anstoss nehmen, wenn eine Moderatorin eine andere Hautfarbe hat, dann hätte man es erst recht machen sollen», meint er. Beldner habe den Absagegrund damals gar nicht so schlimm gefunden. «Ich war es gewohnt und hab es verstanden.»

Heute ist das anders. Beldner erklärt: «Der Sommer hat mir gezeigt, über Rassismus zu sprechen ist schwierig, aber Schweigen ist für mich keine Option mehr!»


Fehler gefunden? Jetzt melden