Kinder können einen an die Grenze des Wahnsinns bringen, als Mami weiss ich das zur Genüge. Auch wenn mein Sohn niemals so anstrengend und frech ist oder war wie die Kinder in diesem Ludwigshafener «Tatort» – übrigens gleich alle. Unerträgliche Saublagen. Reden deutsche neunjährige Kids echt so mit Erwachsenen? Oder haben die Drehbuchschreiber keine Kinder? Aber eigentlich bleibt diese Lena-Odenthal-Folge über die meiste Zeit spannend, anrührend, gut gespielt, gut geschrieben.
Der neunjährige Marlon liegt tot am Fuss einer Treppe in seinem Schulhaus. Er wurde nicht nur offensichtlich gestossen, er hat auch zwei gebrochene Rippen, was, so ergibt die Obduktion, einen Tag früher geschehen sein muss. Schlimm auch die Reaktion des Umfelds des Kleinen: Überrascht scheint niemand, teilweise macht sich sogar Erleichterung spürbar. Aggressiv und unkontrollierbar soll Marlon gewesen sein, nicht einmal die Mutter hat sich mit ihm zu helfen gewusst. Und andere Eltern haben seit Monaten dafür lobbyiert, dass der Junge von der Schule fliegt.
Die Folge zeigt einmal mehr auf, was in Schule und Gesellschaft schiefläuft
Was Spardruck an der Schule, gekoppelt mit jüngsten Reformen wie Inklusion (alle, auch verhaltensauffällige und lernbeeinträchtigte Schüler, sitzen in derselben Klasse) anrichten kann, wird in dieser bewegenden Folge wieder einmal sehr klar durchexerziert. Denn jede Mutter, jeder Vater von Kindern im schulpflichtigen Alter hat heutzutage wohl einmal eine Klasse seines Kindes erlebt, in der normaler Unterricht wegen irgendeines konstanten Störenfrieds nicht möglich war. Die heutige Folge sollte deshalb vor allem eins sein: Pflichtprogramm für jeden Bildungspolitiker.
Tatort: «Marlon», SRF 1, 20.05 Uhr
Wertung: Vier von fünf